Wie kam es zu der Etablierung der Fraunhofer-Gesellschaft in Magdeburg zeitnah nach der Wende?

Schenk: Magdeburg mit seiner Industrie und der Technischen Universität war stark geprägt durch den Schwermaschinenbau. Für die Fraunhofer-Gesellschaft war diese Profilierung interes- sant, weil es ein solches Institut bis dato nicht gegeben hat. Deshalb wurde 1992 unser Institut mit der Ausrichtung auf den Schwermaschinenbau gegründet. Dieses Konzept wurde auf- grund der wirtschaftlichen Entwicklung im Jahr 1994 neu über- dacht und führte dazu, dass neue Automatisierungs-Lösungen für neue Branchen, wie beispielsweise die Automobilindustrie, erar- beitet wurden. Wie erfolgreich dieser neue Kurs absolviert wurde, zeigt die Tatsache, dass wir uns als Standort der Spitzenforsch- ung in der Bundesrepublik etabliert haben und inzwischen eine weltweite Reputation aufweisen können.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft in Magdeburg?

Schenk: Aus Erfahrung wissen wir, dass sich kleinere Unter- nehmen oftmals schwer damit tun, mit der Fraunhofer-Gesell- schaft zusammenzuarbeiten. In Sachsen-Anhalt und Magdeburg ist diese Kleinteiligkeit der Wirtschaft charakteristisch. Für uns besteht die Herausforderung darin, auch Partner für diese Unter- nehmungen zu sein. Wir sind als Fraunhofer-Institut in Magde- burg sehr darum bemüht, uns zu öffnen und direkt den Kontakt mit diesen Unternehmen herzustellen. Dieser Umstand ist nicht zuletzt auch der hervorragenden Innovationspolitik des Landes Sachsen-Anhalt zu verdanken, welche es diesen Unternehmen ermöglicht, mit Fördergeldern und anderen Unterstützungen unsere F&E-Leistungen in Anspruch zu nehmen. Das Klima dafür ist in Sachsen-Anhalt ausgesprochen gut. Deshalb ist unsere Bilanz positiv, da wir mit einer Vielzahl von Unternehmen aus dieser Region zusammenarbeiten.

Die Wissenschaft hat sich in Magdeburg zu einem Wirtschaftsfaktor entwickelt. Wie kam es dazu? 

Schenk: Ich betrachte diese Entwicklung insbesondere in Anbe- tracht der Öffnung der Wissenschaften für die regionale und nationale Wirtschaft als ausgesprochen positiv. Einerseits hat sich die Magdeburger Wissenschaft sowohl qualitativ als auch quantitativ weiterentwickelt. Das ist für jeden, der in der Wis- senschaftslandschaft tätig ist, sichtbar. Andererseits können sich die Magdeburgerinnen und Magdeburger heute zunehmend mit der Wissenschaft in der Stadt identifizieren. Sie hat eine gefestig- te Position in der Stadt und bietet den Menschen einen Grund mehr, stolz auf ihre Landeshauptstadt zu sein.

Wie sieht die Zukunft der Wissenschaft und Wirtschaft in Magdeburg aus?   

Schenk: Im Bereich der Wissenschaft sollten wir uns darauf konzentrieren, Schwerpunkte stärker zu fokussieren. Als mittel- große Universität sollte es immer das oberste Ziel sein, sich auf qualitativ Hervorragendes zu konzentrieren. Das ist definitiv möglich, die Qualität dazu haben wir. Rein wirtschaftlich ist der Standort Magdeburg allein durch seine Lage sehr interessant. Andererseits ist die Sicherung von Fachkräften eine herausra- gende Arbeit für die nächsten Jahre. Durch meine Tätigkeit im Verband der Deutschen Ingenieure weiß ich, dass die hiesige Wirtschaft das Problem erkannt und Maßnahmen zur Bindung junger Menschen an die Unternehmen eingeleitet hat. Ziel ist und bleibt es, junge Fachkräfte in der Region zu halten und sie in unsere Stadt zu holen. Nur so kann eine weitere Erhöhung der Wertschöpfung in Stadt und Land stattfinden. Die Basis ist ge- geben und ich räume Magdeburg, trotz der großen Konkurrenz in Richtung Berlin und Leipzig, sehr gute Chancen zur qualitativen Weiterentwicklung ein.

Wie sieht die Zukunft des Fraunhofer-Instituts in der Landeshauptstadt aus?

Schenk: Auch in Zukunft wollen wir unser Wachstum in der Dom- und Elbestadt vorantreiben. Seit unserer Gründung konnten wir in jedem Jahr unseren Personalbestand erweitern, das ist auch in Zukunft unser Ziel. Außerdem möchten wir die Interessen, die aus der Region heraus entstehen, auch in Richtung Internationali- sierung vertreten. Wir begleiten Unternehmen, bilden Partner- schaften im Ausland und qualifizieren unsere und ausländische Mitarbeiter. Die Möglichkeit der hiesigen Wirtschaft, im Ausland tätig zu sein, ist eine enorme Chance, bei der wir zukünftig ver- stärkt Unterstützung geben wollen.

Prof. Dr. Michael Schenk - Experteninterview


Leiter des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF, Geschäftsführender Leiter des Institutes für Logistik und Materialflusstechnik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg