Wie hat sich die Magdeburger Wirtschaft in den ersten Jahren nach der Wende entwickelt?

März: Nach dem Fall der Mauer begannen schwere Zeiten für die Wirtschaft der Region. Die Wirtschaft in Magdeburg und Sachsen-Anhalt war im Vergleich zu Sachsen und Thüringen stark mono- strukturiert. Die großen Kombinate wie bspw. das SKET oder SKL brachen zusammen und zahlreiche Beschäftigte wurden freige- setzt. Es folgten Abwanderungsbewegungen in die alten Bundes- länder. Andererseits vollzog sich ein wahrer Gründungsboom. Zahlreiche Neu-, Aus- und Wiedergründungen fanden zwischen 1990 und 1993 statt. Im Jahr 1991 konnten wir bspw. 18.600 Ge- werbeanmeldungen verzeichnen. Dieser Stand wurde bis heute nicht wieder erreicht. Die Baubranche entwickelte sich in der ersten Hälfte der 1990er Jahre aufgrund des massiven Nachhol- bedarfs an Bauinvestitionen im Wohnungsbau-, gewerblichen Bau- und Infrastrukturbereich zum Wachstumsmotor. Doch die Arbeitslosenquote stieg bis zum Jahr 1995 auf rund 18% an.

Welche Entwicklungen sind bis heute - 20 Jahre nach der Wende - zu verzeichnen?    

März: Ab der Mitte der 90er Jahre war in der Stadt ein Struktur- wandel zu beobachten. Der Nachholbedarf in der Baubranche war abgeflaut und die Industrie und Dienstleister übernehmen seit- dem die Rolle des Wachstums- und Wirtschaftsmotors für die Magdeburger Region. Außerdem gewinnen neue Wachstums- brachen wie die regenerative Energiewirtschaft, die Automobil- und Gasindustrie sowie die IT-Branche zunehmend an Bedeut- ung. Seit 2005 ist eine Aufschwungphase mit überdurchschnitt- lichen Wachstumsraten, insbesondere in der Industrie, zu ver- zeichnen. Wir sprechen hier sozusagen von der „Renaissance der Industrie" in Magdeburg. Auch die Exportquoten sind stetig an- gewachsen.

Wie haben sich die Magdeburger Unternehmen durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise entwickelt? 

März: Ende 2008 bis Anfang 2010 war eine konjunkturelle Tal- fahrt auch hier in der Region zu erkennen. Die Auslandsnachfrage sowie die Konsumnachfrage im Inland sanken drastisch. Dennoch sind die Unternehmen in der Region aufgrund ihres Know-hows und ihrer Flexibilität erstaunlich gut über die Krise gekommen. Sehr erfreulich ist auch die Tatsache, dass aufgrund anpassungs- fähiger Arbeitsorganisation in den Unternehmen kein nennens- werter Beschäftigungsrückgang zu verzeichnen war. Insbeson- dere die Dienstleister blieben stabil und derzeitig zeichnet sich ebenfalls eine konjunkturelle Erholung in den „Problembereichen" Maschinenbau und Automotiv ab. Unsere Exporterwartungen sind ebenfalls wieder angestiegen.

Wie beurteilen Sie aus Sicht der IHK die wirtschaftliche Zukunft der Region Magdeburg? 

März: Rein statistisch gesehen bekommt jeder in den nächsten Jahren einen Arbeitsplatz in der Region. Die Bewältigung der Auswirkungen des demografischen Wandels sind daher insbe- sondere zu verfolgen. Allerdings, und das möchte ich besonders betonen: Hier liegt die Zukunft für die Jugend. Die Wirtschaft wird sich mit Unterstützung der IHK noch intensiver auf internationalen Märkten orientieren, so dass eine ständige Weiterentwicklung möglich ist. Die Unternehmen sollen „Fit für Export" sein. Die Po- tenziale, welche in der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie liegen, werden weiter gefördert und genutzt.

Die Magdeburger Region kann heute schon mit einer enorm mo- dernen wirtschaftlichen Struktur aufwarten. Das Vertrauen in unsere Unternehmen ist groß. Wir sehen uns daher als starke, verlässliche Partner und werden auch in Zukunft dabei behilflich sein, die Wirtschaft der Region weiterzuentwickeln und zu ver- bessern.

Wolfgang März - Experteninterview


Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Magdeburg