Dass Online-Einkäufe die kleinen Unternehmen vor Ort kaputt machen, muss nicht sein. Die Akteure von halloaltmark.de bieten einen virtuellen Marktplatz für Landwirte.

Zukünftig wird jeder im Landkreis Stendal hier sein Gemüse, Obst, Butter, Fleisch, und Wurst bestellen können und stärkt damit gleichzeitig die kleinen Bauernhöfe vor Ort. Das Thema Online-Bestellung und Lieferung direkt ins Haus ist für Sebastian Naumann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Automation und Kommunikation (ifak) und seine beiden Mitstreiter von der Hochschule Magdeburg-Stendal nicht neu. Was aber ihr Projekt so besonders macht, ist die gleichzeitige Stärkung der Landwirtschaftsunternehmen in der Region. Denn die fallen im Lieferservice der großen Supermärkte meist hinten runter, da sie nur selten gelistet sind.

Naumann ist am ifak eigentlich für das Themenfeld Elektromobilität verantwortlich. Jedoch: Er lebt im Landkreis Stendal und weiß um die Probleme der Bauern und um die Versorgung im ländlichen Raum – ein Fakt, der ihm schon lange auf den Nägeln brennt. Da kam das Förderprogramm des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung vor vier Jahren gerade recht: In „Land.Digital“ geht es darum, die ländlichen Regionen zu digitalisieren.

„Da die Marktplatz-Idee schon länger in unseren Köpfen rumgeisterte, haben wir uns entschlossen, uns mit dieser Idee zu bewerben und haben dann auch die Förderung bekommen“, schildert Sebastian Naumann die Anfänge. Zunächst wurden Grundbausteine einer Open-Source-Software verwendet. Diese hat man dann entsprechend den Anforderungen des Online-Marktplatzes ergänzt. 

Es gab eine Testphase: Nutzer haben den Bestell- und Bezahlprozess ausprobiert und die Produkte ins Haus geliefert bekommen. Rückmeldungen und Hinweise wurden gesammelt und aufgenommen. Die geförderte Projektphase ist Ende März 2022 ausgelaufen, nun ist halloaltmark.de am Start. Ein eigens dafür gegründetes Unternehmen soll den Betrieb langfristig weiterführen.

Mit diesem digitalen Angebot für den ländlichen Raum wird den Bauern eine Online-Plattform zur Verfügung gestellt, auf der sie ihre Produkte vorstellen und verkaufen können. Wohlwissend, dass die Hofbetreiber das Ganze auch über Amazon oder eBay abwickeln könnten, gestalte sich dort jedoch der Versand von frischen Produkten, die gekühlt werden müssen, eher schwierig, erläutert Naumann.

So organisieren die Akteure von halloaltmark.de auch die Lieferung von Fleisch, Käse, Gemüse und Co. Sie holen die bestellten Produkte von den Landwirten ab und bringen dann den Wocheneinkauf zu den Kunden nach Hause. Ein weiterer Vorteil: Es ist eine Form des Direktmarketings. Die Erzeuger nutzen den Marktplatz, aber es gibt keinen Zwischenhändler, die Landwirte können ihre Preise selbst bestimmen.

20 Bestellungen einmal die Woche ausfahren – so ist der Plan. Sebastian Naumann verschweigt nicht, dass es sich schwierig gestaltet, sowohl Kunden als auch Landwirte für ihre Marktplatz-Idee zu begeistern: „Bisher arbeiten wir mit einem Rindfleischbetrieb und einem Imker zusammen. Wir hoffen, dass wir durch Mundpropaganda weitere Zuläufe bekommen. Außerdem rechnen wir damit, neu gegründete Höfe, die ihre Absatzkanäle noch nicht etabliert haben, gewinnen zu können.“

Ob der Online-Markt für Landwirte auch für andere Städte und Regionen außerhalb der Stadt und des Landkreises Stendal angeboten werden soll? „Nein, wir wollen regional bleiben, aber wenn jemand so etwas machen möchte, dann teilen wir gern unsere Erfahrungen und die Software und unterstützen beim Aufbau“, sagt Naumann, für den feststeht, „dass man früher oder später an einem solchen Marktplatz im ländlichen Raum nicht vorbeikommt“.

Das macht er unter anderem an folgenden Faktoren fest: Kleinbäuerliche Strukturen sind deutlich besser dazu geeignet, die durch die Groß-Landwirtschaft verursachten Probleme wie die verloren gegangene Biodiversität oder das Insektensterben in den Griff zu bekommen. Der Trend liege seiner Ansicht nach bei den kleinen Höfen, denen jegliche Unterstützung zukommen sollte. Der Online-Marktplatz für Landwirte könne ein wichtiger Baustein sein, um Kreisläufe vor Ort zu schaffen. „Wenn wir daran denken, dass wir auf erneuerbare Energien umsteigen müssen, können wir es uns aus meiner Sicht auch nicht mehr leisten, dass wir die Lebensmittel kreuz und quer über den Globus transportieren. Die Lebensmittel, die hier produziert werden, müssen auch hier konsumiert werden.“

Virtueller Bauernmarkt


Sebastian Naumann / ifak

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