Der Wissenschaftler Lothar Mörl meldete schon 180 Patente an. Mit seiner wohl bekanntesten Erfindung verhalf er Kaffee „made in Magdeburg“ zum Durchbruch.
Kaffee made in Magdeburg ist Kult. Marken wie „Rondo Melange“, „Mona“ oder „Mocca Fix Gold“, die sich aus der DDR ins vereinte Deutschland retten konnten, stehen bei den Verbrauchern vor allem im Osten (wieder) hoch im Kurs.
Die Herstellung des Kaffees in der über 100 Jahre alten Fabrik von „röstfein“ in der Magdeburger Alten Neustadt ist einmalig: „Es gibt weltweit keine Anlage, die so röstet wie die in Magdeburg“, sagt Prof. Dr. Lothar Mörl von der Otto-von-Guericke-Universität. Der Leiter des Lehrstuhls für Chemischen Apparatebau hat Anfang der 1980er Jahre die dortige Wirbelschicht-Röstanlage maßgeblich mit entwickelt. Bis heute werden damit in Magdeburg für einen Teil des Sortiments Kaffeebohnen in einem Wasserdampf-Luft-Gemisch wie in einem Luftpolster geröstet. Damals eine Innovation der Extraklasse.
Ein Vorteil: Die Bohnen kommen nicht mit Verbrennungsrückständen in Berührung. Ein weiterer: „Das Rösten in der Wirbelschicht geht sehr schnell. Wir können ungefähr 200 Kilogramm Kaffee in drei statt zehn Minuten wie bei der üblichen Trommelröstung verarbeiten“, erklärt Mörl.
Durch die Entwicklung der Magdeburger Tüftler wurde nicht nur Zeit gut gemacht, sondern es wurden auch weniger Rohstoffe bei der Herstellung verbraucht. Der klammen DDR kam das sehr zupass. So konnte bei den Kaffee-Importen, die es nur gegen teure Devisen gab, gespart werden.
Doch auch nach der Wende überzeugte die Magdeburger Röstung aus der Wirbelschichtanlage rasch große westdeutsche Kaffeeproduzenten. Das sicherte dem 1908 gegründeten Traditionsunternehmen aus der Elbestadt das Überleben. „Von sieben Röstereien in der DDR ist nur eine übrig geblieben: Magdeburg“, erinnert Lothar Mörl nicht ohne Stolz an den Erfolg seiner Anlage made in Magdeburg.
Bei einer Tasse Kaffee – „Rondo Melange“, die Lieblingssorte des Professors – erzählt Mörl, wie für ihn alles anfing. Nach seinem Studium in Magdeburg an der damaligen Hochschule für Schwermaschinenbau bis 1967 und einem Ausflug ins Schwermaschinenbau-Kombinat „Ernst Thählmann“ (SKET) widmete er sich ganz der Forschung und Lehre an der hiesigen Universität.
Wer sich in Magdeburg mit Verfahrenstechnik beschäftigt, kommt an dem Namen Mörl nicht vorbei. Als „Wirbelschicht-Papst“ ist er weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Das Rösten von Kaffee ist dabei nur eine Anwendung, die unter Mörls Regie entwickelt wurde. Zahlreiche Forschungsprojekte setzte er beispielsweise auch schon mit der chemischen und der Pharmaindustrie um. „Über viele Projekte mit der Wirtschaft darf ich natürlich nicht reden“, gibt sich Mörl bei der Nachfrage nach weiteren Erfindungen aus seinem Hause verständlicherweise eher zugeknöpft. Die Konkurrenz schläft schließlich nicht.
Schon immer habe er mit dem Schwerpunkt Wirbelschichttechnik geforscht, so Professor Mörl weiter: „Es gab viele Dinge, die herausragten, weil wir sie teilweise unter sehr abenteuerlichen Bedingungen in der sozialistischen Wirtschaft umgesetzt haben“, blickt Lothar Mörl auf die Jahre vor dem Mauerfall zurück.
Die enge Verbindung zur Industrie sei ihm als Forscher schon immer sehr wichtig gewesen, um die Entwicklungen nutzbar zu machen. Mörl drückt es so aus: „Ich will das, was ich gerechnet habe, in der Praxis umgesetzt sehen.“
Der Magdeburger Wissenschaftler meldete nach eigenen Angaben inzwischen bereits rund 180 Patente an. Weitere könnten folgen: „Wir haben so viele Partner und so viele Ideen“, sprudelt es aus dem 79-jährigen nur so heraus. „Mir macht es nach wie vor großen Spaß zu arbeiten und immer wieder Neues zu machen, obwohl ich schon seit 14 Jahren in Rente gehen könnte“, sagt er dann. Doch daran denkt er noch immer nicht. „Um den Garten zu Hause kümmere ich mich ja auch ein bisschen“, schiebt er scherzhaft hinterher und lacht.
Der in Obergraupen, im heutigen Tschechien, geborene Wissenschaftler macht sich seit vielen Jahren übrigens auch für eine ganz besondere wissenschaftliche „Melange“ stark und treibt die Zusammenarbeit mit der bulgarischen Universität für chemische Technologie und Metallurgie in Sofia voran. Hunderte Studierende und Diplomanden nutzten bereits das Austauschprogramm mit der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität.
Sicher kommt dabei so mancher Gast im Hause Mörl auch auf den Geschmack des Magdeburger Kaffees.