Ein Gespräch über Otto von Guericke und seine Erben/ MB

„Guericke war seiner Zeit immer voraus“

Otto von Guericke, Naturforscher, Techniker, Bürgermeister und Diplomat, ist als Universalgenie in die Geschichte eingegangen. Mit seinen naturwissenschaftlichen Experimenten wie den Halbkugelversuch, mit dem er die Wirkung des Luftdrucks darstellte, erlangte der große Sohn der Stadt Weltruhm. Magdeburg ist auch dank ihm stolz eine „Ottostadt“. Und die hiesige Universität trägt den Namen des politisch wirkenden Magdeburgers, der mit Leib und Seele Ingenieur und Techniker war.

Wie sehen Sie den Namensgeber der Universität?

Prof. Jens Strackeljan: Für die Universität Magdeburg ist Otto von Guericke ganz klar mehr als nur ihr Namensgeber. Wir sehen in ihm eine Persönlichkeit, die ihrer Zeit immer ein Stück voraus war, immer über den Tellerrand geblickt hat und das Große und Ganze im Blick hatte. Er hat sich nie auf das Regionale beschränkt, hat Probleme und Herausforderungen– ob wissenschaftlicher oder gesellschaftlicher Art – erkannt, analysiert und: in vielen Fällen auch gelöst. Darin sehen auch wir als Universität unsere Rolle: als Problemlöser, Impulsgeber; verlässlicher Partner, Zukunftsgestalter und Vernetzer. Auch über 350 Jahre nach der eindrucksvollen Beweisführung zur Existenz des Vakuums hat der berühmte Halbkugelversuch nichts von seiner Faszination und Überzeugungskraft verloren. Forschungskommunikation par excvellence, die auf eindrucksvolle Weise zeigt: Wissen schafft Vorteil, Wissenschaft führt zu Erkenntnissen, die allen zugute kommen.

Viele Studenten sind bereits durch die Guericke-Universität geprägt worden – viele Ideen, Ergebnisse, alle Diplome tragen das Siegel „Made in Magdeburg“ …

Wir haben etwa 14.000 Studierende, jeder 5. von ihnen ist ein Internationaler. Mit über  2.500 Absolventinnen und Absolventen jedes Jahr sind seit dem Bestehen 1993 zehntausende hochqualifizierte Studierende durch die Universität geprägt worden und  tragen ihre Alma Mater in die Welt. Ihre Persönlichkeiten und beruflichen Karrieren sind durch die Universität, aber auch in enger Vernetzung mit der Stadt grpägt worden – nicht umsonst tragen wir auch Magdeburg im Namen, als dessen fester Teil wir uns seit unserer Gründung verstehen.

In der aktuellen Diskussion ist oft zu hören, dass Absolventen häufig nach ihrer Ausbildung abwandern. Welche Möglichkeiten sehen Sie, diese jungen Menschen hier zu halten?

Sich zu binden, ist eine große Entscheidung. Da können wir nicht immer eingreifen, weil die Aufgaben auch woanders, beispielsweise in der Politik liegen. Start-Ups zu unterstützen, sehen wir aber beispielsweise als eine Aufgabe für uns an, der wir uns künftig noch mehr widmen müssen. Eine Universität lebt von Internationalität, lebt davon, überregional zu forschen, zu lehren und auszubilden. Mobilität gehört im 21. Jahrhundert in eine moderne Wissensgesellschaft. Wenn aus allen Himmelsrichtungen junge Menschen an die Universität kommen, ist das eine gewaltige Bereicherung für die Universität, aber auch für die Stadt und die Region. Es gibt keine Einrichtung Magdeburg, die so viele junge, gut ausgebildete Menschen in die Stadt zieht, wie die Universität. Dass ein Teil der Absolventen wieder in ihre Heimat zurückgehen oder ganz woanders ihr Berufsleben starten, liegt in der Natur der Dinge. Natürlich freuen wir uns über „Hierbleiber“, denn auch die Universität ist auf hervorragende Forscherinnen und Forscher und auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewiesen. Viele Faktoren, die – vor allem auch Internationale – zum Hierbleiben bewegen könnten, liegen aber nicht in unserer Hand. Aber sicher sind wir verlässlicher Partner, wenn es darum geht, den Standort für Fachkräfte zu stärken.

Welche Ziele hat die Universität für die kommenden Jahre?

Digitalisierung, Energiewende, Klimawandel, Demografischer Wandel, Künstliche Intelligenz oder Mobilitätskonzepte, das alles sind gesellschaftliche Herausforderungen, für deren Bewältigung die Uni eine führende Rolle spielt. Zum einen holen und qualifizieren wir die Problemlöser von morgen in innovativen Studiengängen, wie zum BeispielMedizintechnik, Computervisualistik oder Sportingenieurwesen. . Unsere Institute sind gut aufgestellt, unsere Infrastruktur kann sich sehen lassen. Dafür haben wir zum anderen starke Forschungsschwerpunkte wie in den Neurowissenschaften, der Systembiologie oder auch in den Dynamischen Systemen. Wir stärken unser Profil in den nächsten Jahren insbesondere auch in der Medzintechnik oder auf dem Gebiet der Entzündungsforschung. Wir fordern, nehmen uns neuer Themen wie in den Bereichen der Energie oder der intelligenten Mobilität an, arbeiten verstärkt multidisziplinär und im Verbund. Es gehört zu unserer DNA, uns ständig weiterzuentwickeln. Wir werden in Kürze ein Zentrum für Medizintechnik mit einem Magdeburger Profil etablieren und die Arbeit der beiden Forschungszentren – im Bereich der Neurowissenschaften und der Dynamische Systeme, in enger Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut – verstärken.

Was würde Otto von Guericke heute über „seine“ Universität sagen?

Darüber kann ich nur spekulieren. Ich würde meinen, sein Interesse am Tun seiner „Erben“ wäre groß, er würde unsere Universität sicher wohlwollend, aber auch kritisch begleiten. Wir fühlen uns jedenfalls mit ihm, seinen Maximen und seinem Engagement für die Gesellschaft eng verbunden, er ist immer noch so etwas wie der spiritus rector. Ich hoffe, er würde sagen „Bisher habt Ihr Eure Sache richtig gut gemacht!“ Den Beweis dafür müssen wir aber weiterhin tagtäglich abliefern!“

Prof. Jens Strackeljan


Rektor der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg