Ein Gespräch über Georg Philipp Telemann...

Telemann verband lokales Handeln mit europäischen Perspektiven

Georg Philip Telemann, der bedeutende deutsche Komponist, wurde am 14. März 1681 in Magdeburg geboren. Hier verbrachte er seine Kindheit und erhielt er den ersten Schulunterricht. Mit seinen kompositorischen Impulsen, seinen Anschauungen und seinem Unternehmertum auf dem Gebiet der Musik prägte er die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts. Er hinterließ ein reiches kulturelles Erbe.

Georg Philip Telemann ging als junger Mann aus Magdeburg fort. Hatte trotzdem noch Verbindungen zu seiner Geburtsstadt?

Dr. Carsten Lange: Ja, die hatte er. Zunächst waren es familiäre Beziehungen und darüber hinaus stand er im Briefwechsel mit Magdeburger Persönlichkeiten wie Johann Heinrich Rolle, der ihn kurz vor seinem Tod in Hamburg besuchte. Wir wissen auch, dass man in Magdeburg seine Musik kannte, als er längst andernorts wirkte. Aus erhaltenen Dokumenten lässt sich ablesen, dass Telemann Magdeburg und seine hiesige Zeit in späteren Jahren nicht vergessen hat. Das liegt nahe, denn hier hat er Grundsätzliches für sein Leben vermittelt bekommen.

Was war das zum Beispiel?

Die Musikalität seiner Mutter, musikalische Unterweisungen am renommierten Altstädtischen Gymnasium, das Singen sowie das Kennenlernen einer „auserlesenen Stadtmusic“ dürften seinen Werdegang maßgeblich beein¬flusst haben. Seine Liebe zur deutschen Poesie wurde an der Domschule entfacht und in Magdeburg lernte er die französische Sprache und Kultur kennen, denn im 17./18. Jahrhundert trugen zahlreiche Emigranten u.a. aus Frankreich und der Wallonie zu neuer Prosperität der Stadt bei. So ist Telemanns besondere Affinität zur französischen Musik kaum ein Zufall und seine frankophile Ader könnte hier ihre Wurzeln haben. Seine gelehrte Religiosität, Frömmigkeit und seine von Nächstenliebe durchzogene christliche Lebensführung liegt sicher im theologisches Elternhaus begründet.

Magdeburg hat ihn also stark geprägt?

Ohne Zweifel. Zumal er am Ort seiner Kindheit und Jugend erste musikalische Erfolge verzeichnen konnte, sei es beim Komponieren, Singen und selbständigem Erlernen verschiedener Instrumente. Keine Frage: Georg Philipp Telemann hat hier Wissbegierde und Offenheit entwickelt, die er sich Zeit seines Lebens erhalten hat – wohl auch im religiösen Sinne. Telemann scheint in einem intellektuellen Umfeld groß geworden zu sein, das eher integrierte denn ausgrenzte. All das hinterlässt Spuren bei einem jungen Menschen. So verwundert es nicht, dass er sich an die Stadt und seine Magdeburger Wurzeln immer wieder erinnerte.

Was ist das Besondere an seiner Musik, die heute noch immer aktuell erscheint?

Eine große Rolle spielen die Vielgestaltigkeit und Multifunktionalität seiner Musik. Bereits Telemanns Zeitgenossen schätzten sein Vermögen, u.a. durch Integration unterschiedlicher nationaler Stile und Schreibarten und seinen „den Sachen gemäßen“ Ton eine neue, eigene Musiksprache zu formen, die europaweite Verbreitung fand. Auch Telemanns pädagogisches Geschick ist zu erwähnen. Er verstand es, für begnadete Virtuosen zu komponieren und ebenso Kompositionen für das erwachende bürgerliche Konzertleben sowie die Hausmusik zu liefern. Nicht zu vergessen: In seinen Werken steckt ein melodischer Reichtum.

Haben das die meisten Menschen damals auch so gesehen?

Durchaus. Seine Melodien wurden gern aufgegriffen. Berühmte Beispiele einer Wiederverwertung lieferte Georg Friedrich Händel. Aber auch im musiktheoretischen Schrifttum wurden Telemanns Kompositionen regelmäßig zu Mustern erklärt. Zeitgenossen schätzten ebenso, dass er der Kirchenmusik zu neuer Wirkung verhalf. Sein Umgang mit Texten und seine musikalischen Bilder weckten offensichtlich Emotionen bei vielen Menschen, auch solchen, die nicht lesen und schreiben konnten. Zu Lebzeiten hatte er den Ruf eines „musikalischen Malers“. Telemann gilt auch als einer der wichtigen Motoren für das Konzertleben. Ganz im aufklärerischen Sinne hat er diverse Werke in öffentlichen Konzerten einem großen Publikum nähergebracht.

In Magdeburg gibt es heute das Telemann-Konservatorium, das Telemann-Zentrum und Telemann-Festtage. Was würde er dazu sagen?

„Gratias“ – ein solches vermutete er bisweilen von der Nachwelt. Sicher würde ihn faszinieren, wie vielfältig sein Lebenswerk nachwirkt. Erfreuen dürfte ihn das wissenschaftliche Eindringen in die Kompositionen in Verbindung mit einer exzellenten Präsentation seiner Werke in Konzerten, ohne die Musikvermittlung und die musikalische Ausbildung zu vergessen, denn all das hatte Telemann sein Leben lang im Blick. Vermutlich wäre er stolz auf die Akribie und Qualität im Umgang mit seinem Werk sowie darauf, dass zahlreiche weltweit verbreitete Neuausgaben seiner Werke und wissenschaftliche Studien über sein Lebenswerk „Made in Magdeburg“ sind.

Was würde Telemann dazu sagen, dass sich Magdeburg als „Kulturhauptstadt Europas 2025“ bewirbt?

Zu Telemanns Naturell gehörte es, sich Herausforderungen zu stellen und mit „Lust und Fleiß“ nach Wegen ihrer Verwirklichung zu suchen. Sich nachhaltig zu engagieren war seinem Wesen eigen und so wäre er wohl ein großer Anhänger der Bewerbung gewesen. Welche Chancen sich damit für eine Stadt und Region verbinden, hätte man ihm nicht erklären müssen: Er war ein Kosmopolit, der lokal handelte und überregionale sowie europäische Perspektiven im Blick hatte.

Dr. Carsten Lange


Leiter des Zentrums für Telemann-Pflege und -Forschung Magdeburg