Die denkmalgeschützte Beimssiedlung ist ein Zeugnis der „Magdeburger Moderne“. Den Spagat zwischen Erhalt und Erneuerung macht die Wobau mit der Sanierung.
Die Hermann-Beims-Siedlung gilt als eines der größten architektonischen Flächendenkmale Europas. Seit Anfang der 1990er Jahre saniert die Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg (Wobau) die Häuser, Wohnungen und das Umfeld in Magdeburg-Stadtfeld. Mehr als 40 Millionen Euro sind bisher in den Umbau geflossen. Bis 2025, dem Jahr, wo Magdeburg den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ tragen möchte, soll das Vorhaben größtenteils bewältigt und damit ein Meilenstein geschafft sein“. So sagt es Kerstin Willenius und verbindet das Projekt zugleich mit der Bewerbung Magdeburgs. „Es ist wichtiger Baustein dafür“, so die Leiterin des Wobau-Kundencenters Süd, „wir erhalten ein architektonisches, kulturelles und soziales Erbe.“
Als solches steht diese Magdeburger Siedlung im Jahr 2019, in dem die Welt das 100. Gründungsjubiläum des Bauhauses feiert, besonders im Fokus. Durch das gesamte Areal zieht sich die Geschichte der „Magdeburger Moderne“ – jener Zeit, in viele Bereiche einen Wandel und Aufschwung erlebten und Magdeburg die „Stadt des neuen Bauwillens“ war.
Wenn Kerstin Willenius über die „Grundsteine“ der Siedlung spricht, beginnt sie in den frühen 1920er Jahren, als „die Stadt aus allen Nähten platzte“, mehr als 9.000 Wohnungen fehlten und „schnell in großem Umfang Wohnraum geschaffen werden musste“. „Die Innenstadt war dicht bebaut, die Hinterhöfe dunkel, die Lebensverhältnisse für den Großteil der Magdeburger sehr schlecht“, weiß Kerstin Willenius. Sie sagt: „Mit Hermann Beims kam ein Bürgermeister, der gesunden und bezahlbaren Wohnraum am Stadtrand schaffen wollte.“ Die Wobau-Fachfrau spricht davon, wie Beims den Architekten und Stadtplaner Bruno Taut als Stadtbaurat in seinen Mitarbeiterstab holte, dessen Arbeit durch die „Gartenstadtbewegung“ und genossenschaftlichen Wohnungsbau geprägt war.
„Sie haben die erste Siedlung des sozialen Wohnungsbaus auf den Weg gebracht“, erklärt Kerstin Willenius. „Endlich wurde auch ästhetisch, anspruchsvoll und funktional gebaut.“ Diese Bauweise ist für sie der Grund, warum die Siedlung heute noch eine so große Bedeutung hat. Das „Neue Bauen“ sei hier eingezogen, geprägt vom Bauhaus. „Auch darum“, sagt Kerstin Willenis, „hat die Wobau auch ein so großes Interesse daran, dieses Flächendenkmal zu erhalten.“
Es ist ein Spagat, den die Wohnungsbaugesellschaft dafür machen muss. „Wir sanieren nach heutigen Ansprüchen, wollen aber zugleich dem Denkmalschutz gerecht werden“, sagt die Magdeburgerin und schwärmt von der Attraktivität dieser Wohnungen, ihrer Grundrisse, den Gärten und Höfen. Damit sich möglichst viele Besucher und Einwohner ein Bild davon machen können, hat die Wobau eine historische Musterwohnung eingerichtet – mit bauzeitlicher Farbgebung, Raumaufteilung und Exponaten, wie Backofen oder Speisenschrank, die in der Siedlung gefunden wurden. Wer ausprobieren möchte, wie es sich hier lebt, kann sich auch in einer voll ausgestatteten Gästewohnung einmieten. Mit Leben wird die Musterwohnung wiederum immer donnerstags durch eine Veranstaltungsreihe oder als Raum für Kitas, Vereine und Schulen. Dazu kommen Führungen und die Besichtigungen „Grand Tour der Moderne“, einer Reiseroute zum Bauhausjubiläum.
„Vor allem füllen natürlich unsere Mieter die Siedlung mit Leben. Sie leben teils seit Jahrzehnten im Viertel“, sagt Kerstin Willenius. In den Wobau-Akten gäbe es sogar einen Original-Mietvertrag aus dem Jahr 1934. „Der Mieter lebt in der Wohnung, in der er geboren wurde und aufgewachsen ist“, weiß sie. Für ihn und viele weitere Magdeburger hat sich in der Beimssiedlung viel verändert. Duschen sind eingezogen, Schwellen verschwunden, Balkone gekommen. Nach der Sanierung sind die Wohnungen kaum wieder zu erkennen. Und doch würden die eigenen vier Wände vertraut bleiben, genau wie die Siedlung, meint Kerstin Willenius und ergänzt: „Hier herrscht eben ein ganz eigener, individueller Charme – modern und doch historisch.“