Sportwissenschaftler der Uni Magdeburg haben einen Sport- und Tanzrollator entwickelt, der das Leben und die Gesundheit von Senioren deutlich verbessern kann. Die Erfindung „made in magdeburg“ stößt kurz vor ihrem Markt-Eintritt bereits auf großes Interesse.

Wer in Bewegung bleibt, lebt gesünder, hat mehr Spaß am Leben und bleibt geistig fit. Wissenschaftliche Belege dafür gibt es jede Menge. „Allerdings ist es gerade für ältere Menschen oft nicht so einfach, sich zu bewegen, weil die Muskulatur im Alter schwächer wird“, weiß Sportwissenschaftlerin Prof. Dr. Anita Hökelmann von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Genau dort setzt das Projekt an, das zurzeit von vielen Menschen mitwachsender Begeisterung aufgenommen wird.

Die Idee dafür ist bereits fast zehn Jahre alt – die Magdeburger Forscherin schaut sich damals in den Niederlanden an, was gerade stark angesagt ist. Ältere Menschen tanzen mit Rollatoren. Richtig gut findet sie das, denkt aber sofort: „Das kann noch besser gehen.“ Warum? „Die Mobilität ist durch die feststehenden Räder des Standard-Rollators eingeschränkt. Die Senioren können damit nur im Kreis fahren“, erklärt Prof. Dr. Anita Hökelmann. Im Hinterkopf hat sie aber das Bild von den Tanz-Teilnehmern, die schon beim ersten Klang der Musik lächeln und anfangen, sich zu bewegen, auch in Gruppen und zusammen mit einem Partner, der nicht körperlich eingeschränkt ist.

Aus diesen Erlebnissen und Impulsen entsteht in der Magdeburger Uni ein Rollator, der fast so wendig ist wie ein richtiger Tanzpartner. Der Doktorand Marcel Partie stößt 2014 zum Team und entwickelt das Gerät als Doktorand weiter. Es wird kleiner, praktikabler. Der Sportingenieur denkt weiter, bringt Kraftsensoren ins Spiel, die signalisieren, wenn es dem Nutzer nicht gut geht, und Vibrationssignale, die beim körperlichen Training auch gleich noch das Gehirn ansprechen, was vor allem für Demenzpatienten hilfreich wäre. Ein automatisches Bremssystem kommt dazu, das eingreift, wenn alles zu schnell geht und ein Sturz droht. „Mit unserem Rollator kann man nicht nur tanzen, sondern auch Kräftigungs- und Dehnungsübungen machen“, betont Marcel Partie. Dafür erhält das Gerät eine Sitzfläche. Das Vorhaben spricht sich herum, neue Projekt-Mitarbeiter kommen dazu. Paul Blaschke und Martin Wiesner sind mit im Boot, entwickeln den Rollator, gestalten ihn in einem Design, das vor allem eins ist: einfach. „Uns geht es nicht darum, dass der Rollator besonders gut aussieht“, erklärt Marcel Partie, „sondern, dass es die Möglichkeit bietet, die Aktivitäten und damit das Wohlbefinden der Menschen zu verbessern“.

Aus der Basis-Version wird ein Sport-, Tanz- und Therapie-Gerät, das auf großes Interesse stößt – auf Konferenzen, bei Kollegen und in der Öffentlichkeit. Beim sachsen-anhaltischen Landeswettbewerb „BESTFORM“ bekommt das Team 2019 den ersten Preis, was die Jury damit begründet, dass „eine Lösung für eine Zielgruppe entwickelt wurde, die sonst am Rande der Gesellschaft steht“. Zugleich loben sie das Design und die Zusammenarbeit mit Institutionen und Firmen. Das Uni-Team arbeitet inzwischen in einem vom Land Sachsen-Anhalt gefördertem Projekt unter anderem mit dem Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen zusammen und richtet seinen Fokus auch auf Demenzpatienten.

Hinter der Entwicklungsarbeit stecken viele Studien, wo es vor allem darum geht, was passiert, wenn sich Senioren mehr bewegen und tanzen. „Wir konnten nachweisen, dass Veränderungen im Gehirn ausgelöst werden, bei unseren Probanden haben sich die kognitiven Fähigkeiten verbessert, die Konzentration und Koordinationsfähigkeit nahmen zu“, sagt Prof. Dr. Anita Hökelmann. Wie das in der Praxis aussieht, testen erste Senioren in Magdeburg mit den mechanischen Prototypen. Die Endversion des Gerätes soll dann mit der Sensorik ausgestattet sein. Jetzt arbeiten die Wissenschaftlerin und ihr Team daran, ihren Sport- und Tanzrollator marktfähig zu machen. Die Sportwissenschaftlerin sagt: „Wir hoffen, dass wir bald einen Partner finden, mit dem wir den Rollator herstellen können.“ Dann könnte eine weitere Entwicklung „made in magdeburg“ weit über die Stadtgrenzen hinaus von sich reden machen. „Dass wir damit Magdeburg und die Uni weiter als Orte bekannt machen, wo Innovationen entstehen, ist ein wichtiger Nebeneffekt“, so Marcel Partie.

Sport- und Tanzrollator


Prof. Dr. Anita Hökelmann, Institut für Sportwissenschaft, Marcel Partie, Otto-von-Guericke-Universität