Ein Gespräch über Gustav Adolf Pfeiffer
„Analysieren, sammeln, Innovationen wagen “
1889 gründete Superintendent Gustav Adolf Pfeiffer die Pfeifferschen Stiftungen als "Evangelisches Johannesstift". Das erste aus Spendenmitteln errichtete Gebäude diente der Aufnahme pflegebedürftiger alter Menschen. Heute genießen die Pfeifferschen Stiftungen in der Fachwelt einen guten Ruf. Rund 1.600 Mitarbeiter wirken in der größten diakonischen Komplexeinrichtung Sachsen-Anhalts, zu der unter anderem zwei Krankhäuser und eine Werkstatt für behinderte Menschen gehören.
Lassen Sie uns ein wenig in die Magdeburger Geschichte zum Ende des 19. Jahrhunderts abtauchen und den Blick auf Gustav Adolf Pfeiffer richten!
Christoph Radbruch: Die Magdeburger Geschichte ist eng mit Pfeiffer verbunden, der er als Superintendent für Ostelbien nach Cracau berufen wurde – was damals noch ein selbstständiges Dorf war. Pfeiffer erkannte, dass die Kinder der Arbeiter in den großen Magdeburger Fabriken, die sich bildeten, ungenügend betreut wurden und sah auch die Not der Kranken und Alten. Deswegen gründete er einen Kindergarten und eine Pflegestation für gebrechliche alte Menschen, mit Spenden, die er vor allem bei den Industriellen der Stadt eingesammelt hatte. Was die Einrichtung dann über das ganze Land hinaus bekannt machte, war die Pflege von Körperbehinderten. Pfeiffer registrierte, dass körperlich verkrüppelten jungen Menschen nicht gut versorgt waren. Als einer der ersten wollte er körperbehinderte Kinder nicht nur zu pflegen, sondern sie durch besondere Maßnahmen, wie Operationen und einer ordentlichen Berufsausbildung wieder in die Gesellschaft integrieren.
Die Pfeifferschen Stiftungen sind inzwischen zu einer Marke geworden …
Wir sind eine starke regionale Marke, und nationale Fachleute kennen uns. In Sachsen-Anhalt sind wir einmalig, Wir haben den Anspruch unsere Konzepte und Angebote auf die regionalen Besonderheiten anpassen. Dabei arbeiten wir ähnlich wie Pfeiffer, ermitteln erst den Bedarf und planen dann unserer Angebote.
… und hier wird im Sinne Pfeiffers auch weiter beispielhaft im Sinne der Inklusion gearbeitet…
… beispielhaft ist unter anderem unser neuer Inklusions-Aktionsplan für geistig behinderte Menschen, den wir als eine von fünf Vorreiter-Einrichtungen erstellt haben, und der maßgeblich von den Betroffenen selbst geschrieben wurde. Das war ein enormer Kraftakt, aber im Ergebnis dokumentiert er, was die Menschen wirklich wollen. Oder die Arbeitsambulanz des Bereiches „Arbeit und Teilhabe“ der Stiftungen, die behinderte Menschen hilft auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Wie bewerten Sie die Inklusion von Menschen mit Handicaps in der heutigen Zeit?
Dank medizinischen und technischen Fortschritts sind körperbehinderte Menschen in unserer Gesellschaft größtenteils integriert. Es gibt jetzt eher das Problem, dass sich die Behinderungen verlagern. Es gibt einen rasanten Anstieg an psychischen Erkrankungen, vielleicht weil die Gesellschaft viel komplexer und schneller geworden ist. Ich halte es auch für wichtig, an Demenz erkrankten Menschen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Kognitiv eingeschränkte Menschen sollten künftig noch besser versorgt werden, dafür müsste allerdings auch unser Gesundheitssystem verändert werden.
Wie soll es weitergehen mit der Stiftung und dem Krankenhaus?
Das Gelände in Cracau, mit dem die meisten Magdeburger die Stiftungen verbinden, wird sein Gesicht wandeln. Hier wird ein Gesundheits- und Arbeitscampus entstehen, auf dem nur noch wenige Menschen wohnen. Das liegt vor allem daran, dass sich glücklicherweise das Leben mehr in die Stadt verlagern wird, beispielsweise in Wohngruppen im Zentrum. Im September diesen Jahres werden wir ein Medizinisches Versorgungszentrum für behinderte Menschen eröffnen. Ein künftiger Schwerpunkt der Pfeifferschen Stiftungen wird der Ausbau von Gesundheitsangeboten für kognitiv eingeschränkte Personen.
Fühlen Sie sich persönlich als Nachfolger von Gustav Adolf Pfeiffer?
Ein wenig schon. Ich bin einen ähnlichen Weg gegangen, war erst Gemeindepfarrer, Superintendent, bin dann zu den Stiftungen gekommen. Wir arbeiten hier immer noch in seinem Sinne, analysieren die Situation, sammeln Geld und versuchen dann Menschen zu helfen.