Burghard Grupe: Unbedingt! Gerade im Handwerk spielt Transformation eine wichtige Rolle. Es ist immens spannend, was sich in einzelnen Bereichen alles tut. Mit der Zeit zu gehen und dabei im wahrsten Sinne des Wortes handfest zu arbeiten, gehört zur DNA des Handwerks. Das Handwerk verbindet seit jeher Tradition und Innovation. Wir kommen schließlich aus einer jahrhundertealten Tradition. In Magdeburg gibt es eine Maler-Innung, die über 800 Jahre alt ist.

Wie verändern neue Anforderungen die althergebrachten Handwerksberufe?

Ehrwürdige, klassische Berufe gehören zur Bandbreite des Handwerks. Sie werden ihren Platz in der Arbeitswelt und Gesellschaft behalten – ohne, dass sie sich großartig transformieren müssen. Der klassische Schmied ist heutzutage sehr gefragt, genau wie der Orgelbauer, der Sattler oder andere Gewerke. Sie werden weiter traditionell arbeiten und trotzdem ihr Auskommen haben.

In der jüngsten Vergangenheit haben wir einen Technologiesprung gemacht. Moderne Technik und Digitalisierungen gehören zum Alltag. Wie hat sich abseits der Klassiker im Handwerk die Arbeitswelt verändert?

Digitalisierung und moderne Technologien sind große Themen im Handwerk und aus vielen Berufen nicht mehr wegzudenken. Nehmen wir nur das Beispiel Smart Home. Man steuert heute vom Smartphone aus die Heizung, die Jalousien und Sicherheitstechnik. Für Aufbau, Einrichtung, Wartung und Pflege brauchen wir Experten. Das Handwerk ist auch der Schlüssel für die Energiewende. Unsere Fachleute müssen sich mit Photovoltaik und moderner Heizungstechnik auskennen und individuell beraten können. Kfz-Mechaniker kennen sich heutzutage mit E-Mobilität aus, am Bau muss man sich mit altersgerechtem Wohnen auseinandersetzen, der Drucker hat keine Letter mehr, sondern weiß, wie 3D-Druck funktioniert. Es gibt unzählige Beispiele für die Transformation hin zu modernen Arbeitswelten.

Mädchen und Jungen verbringen häufig viel Zeit am Computer und Smartphone. Wie schwierig ist es heutzutage, junge Menschen dazu zu bringen, eine Ausbildung im Handwerk zu wählen?

Wie alle Branchen sucht auch das Handwerk Nachwuchs. Wir können in Sachen Digitalität meist schnell überzeugen. Wer zum Dachdecker ausgebildet wird, kann mit Hilfe einer Drohne arbeiten, um später Angebote erstellen zu können. In vielen Bereichen müssen Maschinen programmiert werden. Wir sind zwar Hand-Werker, doch dabei modern aufgestellt. Smart Home habe ich schon genannt. Nicht zu vergessen: Die Technik erleichtert körperlich anstrengende Berufe und macht sie so auch interessant für Frauen. Und vor allem findet man im Handwerk eines: Erfüllung!

Welche Rolle spielt die gern zitierte Work-Life-Balance im Handwerk?

Sie ist sehr bedeutend und schon lange ein Thema für uns. Für viele Handwerker ist ihr Beruf mehr als nur ein Job. Sie identifizieren sich sehr stark damit, mögen es, mit Menschen zu arbeiten und am Ende des Tages zu sehen, was sie geschaffen haben. Glücklich und zufrieden zu sein, mit dem, was man tut – damit holen wir auch junge Menschen ab. Und auch die 4-Tage-Woche ist längst kein Tabuthema mehr, auch wenn sie natürlich nicht überall passt. Handwerksbetriebe sind zudem meist überschaubar. In den Betrieben herrscht eine familiäre Grundstimmung, wo man sich noch mit Handschlag begrüßt. Nicht zuletzt ist das Handwerk krisensicher. Das war es schon immer.

Was tut die Handwerkskammer gegen den Fachkräftemangel?

Wir unterstützen die Betriebe aktiv bei der Fachkräfte- und Nachwuchsgewinnung. Wir haben Betriebs-, Fachkräfte- und Ausbildungsbörsen, bekleben Busse, führen Berufsbildungsevents durch und sind auf diversen einschlägigen Messen bis hin zum Bodenaufkleber beim Handball. Das Handwerk fährt deutschlandweit große Kampagnen, um auf sich, die Berufe und die vielen Vorteile aufmerksam zu machen. Zu denen gehört, dass wir eine wirklich große Bandbreite anbieten können. Das stellen wir, wo es nur geht, heraus: Wir haben 130 Ausbildungsberufe, das ist wirklich eine große Auswahl. Wer möchte, findet bei uns das Richtige. Ob er nun mit Steinen, Metall, Holz, Glas, Haaren, Stoffen, Lebensmitteln usw. arbeiten, im Gesundheitssektor oder Kfz-Bereich eingesetzt werden möchte. Bei uns findet jeder etwas Passendes.

Wie hat sich aus Ihrer Sicht seit der Wende die Wirtschaft in Magdeburg verändert?

Es hat sich sehr viel verändert. Handwerk profitiert von großen industriellen Leuchttürmen – und die gab es kurz nach der Wende nicht mehr. Und es sind auch keine großen internationalen Konzernzentralen hier aufgebaut worden. Die Wirtschaft hat sich mittelständisch aufgestellt. Viele kleine und mittlere Unternehmen haben sich über die Jahre entwickelt und fest etabliert. Heute haben wir stabile Verhältnisse und viele innovative Betriebe. Es ist zu beobachten, dass die Betriebe größer werden. Das Handwerk profitiert davon, wenn sich künftig noch mehr Industrie hier ansiedeln würde. Ich denke, da ist der Standort auf einem guten Weg.

Aus Ihrer persönlichen Sicht: Wie hat sich die Stadt verändert?

Es ist nicht zu übersehen, dass Magdeburg eine sehr positive Wandlung durchgemacht hat. Allein das Stadtbild mit seiner modernen Architektur, der Elbe, die nun viel mehr mit einbezogen wird, den Brücken, Plätze und Sehenswürdigkeiten – das Gesicht hat sich komplett gewandelt. Wir können sehr stolz sein. Wir sind sehr gut aufgestellt in der Wirtschaft, in der Kultur, im Sport sowie in der Forschung und Wissenschaft.

Wie werden sich Ihrer Einschätzung nach die Ottostadt und das Handwerk hier entwickeln?

Die Region wird von Intel profitieren und auch von weiteren Ansiedlungen. Schon jetzt registrieren wir ein steigendes nationales und internationales Interesse. Und an einem starken Wirtschaftsstandort kann sich auch das Handwerk weiter stark entfalten. Eine der größten Herausforderungen wird die Gewinnung von ausreichenden Arbeitskräften sein.

Was wünschen Sie sich für das Handwerk in Verbindung mit Magdeburg?

Die Fachkräfte-Suche ist für uns ein wichtiges Thema. Darum wünsche mir, dass noch mehr junge Leute einen Handwerksberuf ergreifen – mit oder ohne Handicap, mit oder ohne Abi in der Tasche, auf dem ersten Weg oder den zweiten. Es wäre schön, wenn möglichst viele Menschen die Chance ergreifen und unsere Stadt weiter mitgestalten.

Foto: (c) Stadtmarketing Magdeburg

Transformation gehört zur DNA des Handwerks
 
Transformation und Handwerk – passt das zusammen?


Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer Handwerkskammer Magdeburg

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