Die MCH GmbH aus Magdeburg gehört zu den führenden Experten für Beratung und Qualifikation rund um Energieeffizienz und Managementsysteme in Sachsen-Anhalt. Stefan Woesner beschäftigt sich seit Jahren mit diesen Themen und deren Vermittlung, als Fachingenieur begleitet er energetische Prozesse und bringt seine Expertisen auch für den Umwelt- und Klimaschutz ein. Im Interview beleuchtet er das Thema Nachhaltigkeit.

Was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit?

Stefan Woesner: Der Begriff ist in unserem Alltag omnipräsent. Er umgibt uns ständig, ist aber wenig konkret. Es gibt keine allgemeingültige Definition. In erster Linie zielt er heute auf die ökologische Verantwortung ab. Für mich ist der Begriff jedoch nicht nur ein Synonym für Umwelt- und Klimaschutz – ganz im Gegenteil. Nachhaltigkeit bedeutet, dass kommende Generationen sich auch weiterhin frei entfalten können wie wir heute. Das erfordert sehr viele Maßnahmen, vor allem eine dauerhafte Entwicklung, die dafür sorgt, dass die begrenzten Ressourcen der Erde nicht zu schnell verbraucht werden. Dabei ist es wichtig, auch die Wirtschaft so aufzustellen, dass sie nicht nur Gewinne maximiert, sondern mittel- und langfristig plant. Neben dem ökologischen Aspekt gehört für mich hierbei auch die erfolgreiche Etablierung von Unternehmen in einem Land oder einer Region zum Thema Nachhaltigkeit.

Kann man diese Facetten getrennt voneinander betrachten?

Man kann schon, sollte man aber nicht. Die vielen kleinen Zahnräder der Nachhaltigkeit greifen ineinander und bewegen am Ende das große Rad. Schon vor vielen Jahren ging es in der Wirtschaft um Nachhaltigkeit. Eine nachhaltige Unternehmensentwicklung stand bei diesem Thema noch vor sechs, sieben Jahren an erster Stelle. Heute steht eher der Klima- und Umweltschutz im Fokus. Dennoch sollten wir nicht aus den Augen verlieren, dass es wichtig ist, wie Unternehmen agieren, jetzt und künftig. Fragen, wie die ethische Vertretbarkeit der Produktion, das Einhalten von Werten, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Raum für Entfaltung zu geben, die Region zu stärken – das und noch viel mehr summiert sich ebenfalls unter Nachhaltigkeit. Der Begriff ist die Klammer für den Umwelt- und Klimaschutz mit allen Teilbereichen, für die gesellschaftliche Entwicklung und für die wirtschaftliche Stärkung eines Standortes durch zukunftsorientiertes Denken und Handeln.

Greifen wir uns zunächst die Gesellschaft heraus …

Die Gesellschaft, also wir alle, müssen vieles überdenken, wenn wir es mit dem Umwelt- und Klimaschutz ernstnehmen. Wir müssen uns unbequemen Fragen stellen. Dazu gehört, wie wir unseren Konsum so ändern, sodass man ernsthaft von nachhaltigem Bemühen sprechen kann. Da muss man sich schon mal die Frage stellen, ob es wirklich angebracht ist, im November Erdbeeren aus einem anderen Teil der Welt zu essen, die unter fragwürdigen Bedingungen gereift und über lange Transportwege zu uns gelangt sind. Oder, ob wir wirklich das Steak aus Argentinien essen müssen, wo es Fleisch vom Biobauern um die Ecke auch tun würde. Oder, ob wir nicht sogar unseren Fleischkonsum grundsätzlich überdenken sollten. Es gibt unzählige Fragen dieser Art, die bei der Ernährung nur beginnen, über den Kauf von supergünstiger Kleidung aus fernen Ländern, das Mobilitätsverhalten bis zum Energieverbrauch führen.

Sollte es mehr politische Vorgaben geben?

Nicht unbedingt. Sie sind nur ein Instrument. Ich halte nicht viel von dogmatischen Vorgaben. Stattdessen sollte es eine noch stärkere Sensibilisierung geben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unternehmen sollten, auch im Sinne des „Employer Branding“, dafür mehr geschult werden. Das Thema Nachhaltigkeit muss in alle Köpfe und aus der Gesellschaft heraus weiterwachsen.

Was können Unternehmen hier bei uns tun, um nachhaltiger zu werden?

Ich weiß aus jahrelanger Erfahrung, dass es so gut wie in jedem Unternehmen Stellschrauben gibt, mit denen man Maßnahmen für den wirtschaftlichen Erfolg, den Schutz der Umwelt und von Ressourcen umsetzen kann. Firmen, die nachhaltiger wirtschaften, sparen nicht nur Treibhausgas-Emissionen und Energie oder reduzieren den Müll, meist sparen sie auch Geld. Nicht zu vergessen: Heute, wo der Umwelt- und Klimaschutz stärker als noch vor ein paar Jahren ins Bewusstsein gerückt ist, sammeln Unternehmen damit auch Pluspunkte bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Sie stellen sich also auf den Markt ein – was auch wieder nachhaltig ist, in diesem Fall für die Entwicklung des Betriebes und des Standortes.

Wie können sich Unternehmen „grüner“ aufstellen?

Das ist ein sehr weites Feld, das kleine und große Maßnahmen umfasst. Dienstfahrräder anzuschaffen, um CO2 einzusparen, gehört genauso dazu, wie den Energieverbrauch zu hinterfragen. Auch hier gilt: Wer es wirklich ernst meint mit der Nachhaltigkeit und der Verkleinerung des ökologischen Fußabdrucks, muss viel verändern. Uns alle erwarten große Einschnitte. Vor allem müssen wir Klimabilanzen aufstellen, die diesen Namen auch verdienen. Häufig fließen dort nur Teilbereiche ein, die Themen wie den Rohstoffgewinn vernachlässigen.

Als Fachingenieur und Bau-Experte haben Sie beim Thema Nachhaltigkeit bestimmt auch Gebäude im Blick …

Ganz klar, wer das Ziel Nachhaltigkeit ausgibt, muss auch Gebäude betrachten, egal, ob sie saniert oder neu gebaut werden. Hier steckt unglaublich viel Potenzial, das noch gehoben werden kann. An erster Stelle stehen die Einsparmöglichkeiten in Sachen Energie, die Nutzung regenerativer Energiequellen und die Verwendung umweltfreundlicher Baustoffe. Was künftig aus meiner Sicht allerdings auch noch wichtiger wird, ist die Anpassung an den Klimawandeln und damit die klimarobuste Gestaltung unserer Gebäude. Der Klimawandel ist in vollem Gange, das merken wir auch in unseren Breiten. Es wird wärmer, es gibt mehr Hitzeperioden, extreme Trockenheit, Starkregen, starke Stürme sind keine seltenen Erscheinungen mehr. Wetter- und klimatische Einflüsse wirken vielfältig auf Gebäude und deren Nutzung. Darauf sollten wir uns einrichten. Auch hier kann der Blick vom „Urban gardening“ bis hin zu dezentralen Wasserspeichern geweitet werden.

Wie bewerten Sie das Ziel der Klimaneutralität, das sich unter anderem die Stadt Magdeburg bis zum Jahr 2035 gesetzt hat?

Grundsätzlich ist alles gut, was für den Umwelt- und Klimaschutz getan wird. Allerdings muss man sich auch klarmachen, was Klimaneutralität bedeutet, dass es sich um einen Entwicklungsprozess handelt. Nur, weil man mal ein paar grüne Produkte gekauft hat, handelt man nicht gleich klimaneutral.  Es gehören viele Details dazu, die nur über eine machbare Strategie umgesetzt werden können. Wir müssen uns ganzheitlich mit diesem Thema auseinandersetzen – von der Erkenntnis, dass wir um regenerative Energiequellen einfach nicht herumkommen, bis zur CO2-gerechten Bepreisung von Konsumgütern.

Wie könnte sich eine solche Bepreisung auswirken?

Es sollten realistische Preise im Sinne des CO2 Abdruckes abgebildet werden. Derzeit sind Produkte, die von weither importiert werden, meist günstiger als regionale Produkte. Dabei müsste es genau umgekehrt sein. Die Produkte von „um die Ecke“ sollen nicht weniger kosten, aber die anderen sollten entsprechend ihrer Emissionen am Markt abgebildet sein. Dann würde sicher auch ein Umdenken bei den Konsumenten stattfinden.

Was könnte Magdeburg tun, um noch nachhaltiger zu werden?

Magdeburg ist zurzeit die viertgrünste Stadt Deutschlands. Das ist gut. Allerdings denke ich, dass es für uns wichtig ist, noch mehr Grün in die Stadt zu bringen.  Und beim Umwelt- und Klimaschutz sollten die städtischen Betriebe am besten immer als Vorbilder agieren. Unsere Unternehmen sollten im Rahmen des Möglichen, von der Beschaffung bis zur Entsorgung, den gesamtheitlichen Blick eben auch auf die Treibhausgas-Emissionen ausweiten. Sie merken: Es gibt keine einzelne Antwort, es gibt nur eine riesige Palette. Wenn wir CO2-neutral werden möchten, müssen alle mitmachen. Ich halte es für sinnvoll, alle Einwohnerinnen und Einwohner einzubinden, damit sie Vorschläge einbringen können, wie wir uns in Magdeburg gemeinsam noch besser nachhaltig aufstellen können.

„Nachhaltigkeit muss in alle Köpfe“


Stefan Woesner

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