Magdeburger Forschende unter der Projektleitung von Dr.-Ing. Stefan Scharf vom Fraunhofer IFF revolutionieren die Gießerei-Industrie. Sie konnten nachweisen, dass ihre neuartige Technologie den Energieverbrauch und CO2-Ausstoß mehr als halbiert.

Ein jahrelanges Forschungsprojekt, bei dem am Ende viel heiße Luft herauskommt … In diesem Fall spricht bislang alles dafür, dass genau das der große Durchbruch ist, der einen ganzen Industriezweig revolutionieren und sauberer machen kann. Denn durch seinen nachhaltigen Ansatz schont das Projekt ETAL aus der Ottostadt Klima und Umwelt – und spart immens Kosten ein.

„ETAL ist aus meiner Sicht ein überaus spannendes und enorm erfolgreiches Forschungsprojekt, das auch die prozessualen Voraussetzungen für eine Integration digitalisierter Produktionsabläufe liefert“, sagt Dr.-Ing. Stefan Scharf, Projektleiter am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg. ETAL steht dabei für „Entwicklung neuartiger Technologien, Anlagenkonzepte und Logistik zu einer energieeffizienten Fertigung in Leichtmetall-Gießereien“.

Zum Projektkonsortium gehören neben dem Fraunhofer IFF die promeos GmbH Nürnberg, die Leichtmetallgießerei Bad Langensalza GmbH (Thüringen) und der Bereich Ur- und Umformtechnik der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität. Das Forschungsprojekt ist noch nicht ganz abgeschlossen, doch Scharf spricht bereits von „atemberaubenden Ergebnissen“.

Die Ausgangssituation: Eine Gießerei verschlingt Unmengen an Energie. „Als Projektkonsortium haben wir uns die Freiheit herausnehmen können, den Prozess praktisch komplett auf den Kopf zu stellen“, sagt der Projektleiter. Den klassischen Produktionsablauf vergleicht Scharf mit einer Kaffeerunde: In der Maschine wird der Kaffee heiß gemacht, anschließend wird er in eine Kaffeekanne umgegossen, dann nach und nach in die einzelnen Tassen verteilt. Bei jedem Umgießen geht Wärme verloren.

Was an der Kaffeetafel nicht weiter ins Gewicht fällt oder sogar gewollt ist, damit sich niemand die Zunge verbrennt, ist in der Gießerei, etwa bei der Herstellung von Aluminiumteilen, ein großer Nachteil. Das Material muss eine bestimmte Temperatur beibehalten. Es wird im großen Schmelzofen mit Gasbrenner bei offener Flamme eingeschmolzen, dazu braucht es etwa 700 bis 800 Grad Celsius. Anschließend wird es in Transportpfannen gefüllt und von dort zu den einzelnen Gießplätzen gebracht. Dort kommt es in kleinere Warmhalteöfen, die in der Regel mit Elektroenergie beheizt werden.

Das mehrfache Umfüllen führe immer wieder zu Wärmeverlusten, aber auch zu Verunreinigungen. „Deshalb muss in den Warmhalteöfen ein massiver Aufwand betrieben werden, um Mängel, wie Poren, zu beseitigen. Das Material muss mechanisch entgast und chemisch behandelt werden“, sagt Scharf: „In puncto Energieverbrauch und Materialfluss ist das alles wenig effizient.“

Kern der neuen Technologie ist ein eigens entwickeltes, neuartiges Gasbrennersystem, das wiederum ein vollkommen neues Schmelzeversorgungssystem ermöglicht. Scharf: „Der innovative Brenner arbeitet nicht mit offener Flamme, sondern erzeugt einen exakt regulierbaren Heißluftstrom, der bedarfsgerecht und effizient die benötigte Wärmeenergie bereitstellt. „Damit bauen wir – um bei der Kaffeerunde zu bleiben - gewissermaßen ein voll flexibles Thermoskannensystem auf“, erklärt Scharf.

Der zentrale Schmelzofen mit offener Flamme ist dabei Geschichte. Voll flexible Transportpfannen halten Einzug. Darin wird das Material direkt eingeschmolzen, zu den einzelnen Gießerei-Arbeitsplätze transportiert und dort warmgehalten. Sie können wie Laptops an Dockingstationen bei Bedarf jederzeit Energie, sprich Wärme nachladen, wobei die Temperatur frei regulierbar ist. Durch den Wegfall der bisher erforderlichen Umschöpfprozesse ist sogar die aufwendige und teure Nachbehandlung überflüssig.

Gesteuert wird alles digital und automatisch. Sensoren liefern fortlaufend die nötigen Daten. „Das entlastet nicht zuletzt die Arbeitenden, vor allem bei den besonders gefährlichen Arbeitsschritten und ermöglicht den Unternehmen den Schritt in die digitalisierte Produktion“, sagt der Projektleiter: „Finaler Schritt ist, die Abwärme rückzuverwerten. Daran arbeiten wir aktuell.“

Mit den bisherigen Zahlen ist er mehr als zufrieden: „Wir konnten nachweisen, dass wir bereits jetzt weit über 50 Prozent der Energiekosten und nahezu 60 Prozent des CO2-Ausstoßes einsparen; durch die Abwärmeverwertung werden diese Zahlen sogar noch übertroffen werden.“

Für ein Anschlussprojekt haben die Fördermittelgeber selbst bereits das Projektteam angefragt. Neue Energie für die Gießerei-Industrie wird in Zukunft mit Know-how aus Magdeburg aus einem Guss gewonnen.

Nachhaltig aus einem Guss


Dr.-Ing. Stefan Scharf

Logo YoutubeSehen Sie einen kurzen Infofilm auf unserem Youtube-Kanal.