Mit dem Projekt „Apokalypse Jetzt!“ sucht die Hochschule Magdeburg-Stendal fächerübergreifend und auch im nicht-akademischen Umfeld nach Wegen für ein nachhaltiges Leben. Ein gleichnamiges Buch gab den Anstoß für den Selbstversuch.

Eine ganze Hochschule auf Selbsterfahrungstrip: Wie funktioniert ein „anderes“, nachhaltiges Leben fernab der heutigen Wohlstandsgesellschaft? Studierende, Lehrende und Mitarbeitende der Hochschule Magdeburg-Stendal, von der Rektorin bis zum Hausmeister, wollen es herausfinden. Ihre Botschaft ist (ein-)dringlich: „Apokalypse Jetzt!“ Entnommen aus einem gleichnamigen Buch der Leipziger Autorin Greta Taubert, startete unter diesem Slogan bereits im Jahr 2020 die Reise in eine Zeit nach dem Untergang. Ist unser westlicher Wohlstand Vergangenheit?

Die Musikwissenschaftlerin Manuela Schwartz leitet die auch für sie ungewöhnliche „Expedition“, die trotz des Titels gar keine düstere sein soll. Es gehe ja darum, der Apokalypse zu entkommen oder sie zu vermeiden helfen. „Was dabei wirklich zählt, ist die Gemeinschaft“, sagt sie. Deren positive Kraft soll sich auch an der Hochschule entfalten und Ideen aus den verschiedenen Fachrichtungen zur Lösung von Problemlagen hervor- und zusammenbringen.

Eine langsam wachsende Schar an Teilnehmenden trifft sich etwa zu „Apokalyptischen Frühstücken“, um in lockerer Runde einzelne Kapitel des Buches zu diskutieren. Andere lernen in der Freizeit nachhaltiges Gärtnern, trainieren den fachgerechten Obstbaumschnitt oder den perfekten Schwung mit der Sense an der Grasnarbe wie anno dazumal. Sie legen Blühwiesen an und reparieren (im Wintersemester 21/22) gemeinsam Fahrräder. Eine Ringvorlesung soll von alternativen Lebens- und Wirtschaftsmodellen handeln.

„Vieles war bisher durch Corona leider nur online möglich“, bedauert die Professorin. Die nicht enden wollende Pandemie, auch so eine Dystopie: Die Menschen stemmen sich auch hier gemeinschaftlich gegen ein heimtückisches Virus.

Die apokalyptische Bewegung an der Hochschule erfährt derweil wachsenden Zuspruch: „Nach jedem Workshop sind es 10 bis 15 Teilnehmende mehr, die das Thema weitertragen“, freut sich Manuela Schwartz.

Die Vorlage lieferte das Buch von Greta Taubert. „Taubert, nicht Thunberg“, betont die Wissenschaftlerin mit einem Lachen den Unterschied zwischen Greta aus Leipzig und der weltberühmten schwedischen Klimaaktivistin. Über das Buch der deutschen Journalistin titelte der Spiegel beim Erscheinen 2014: „Untergang im Selbstversuch – Perspektive Mülleimer.“ Taubert beschreibt darin verschiedene Selbsterfahrungen, die sie während eines Jahres etwa bei der Jagd mit Pfeil und Bogen, beim Bestellen eines Großstadtgartens oder beim Leben in einem Tiny House machte. Alle Themen sind mittlerweile noch stärker in der Gesellschaft angekommen oder haben sich in ihrer Ausrichtung verändert. Die Ansätze des Buches sind aktueller denn je und verdienen einen kritischen Diskurs aller an der Hochschule – oder der praktischen Versuchsanordnung!

Auf diesen „Trip“ sei die Hochschule durch einen Zufall gekommen, erzählt Manuela Schwartz. „Wir wollten an dem Programm ,Eine Uni – ein Buch´ des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft teilnehmen. Bei einem internen Voting fiel die Wahl mehrheitlich auf Greta Tauberts Buch“, sagt sie. Der Stifterverband richtet jedes Jahr an Hochschulen in Deutschland die Einladung, ein Buch zu bestimmen, über das in möglichst vielen Bereichen geredet und anschließend gehandelt, gelernt, erprobt wird.

Die Idee: Der Doktorand redet mit dem Erstsemester, der Verwaltungsmitarbeiter mit dem Institutsleiter, die Professorin mit der Reinigungskraft, der IT-Spezialist mit der Bibliotheksmitarbeiterin... Die zehn besten Projekte und Aktionen werden ausgezeichnet und mit jeweils 10.000 Euro für die Umsetzung gefördert. Die Hochschule Magdeburg-Stendal gewann mit „Apokalypse Jetzt! Wie ich mich auf eine neue Gesellschaft vorbereite: Ein Selbstversuch.“

Die Quintessenz: „Wir kommen da nur raus, wenn wir uns gemeinsam auf etwas einlassen und diese große gesellschaftliche Herausforderung konstruktiv wandeln“, sagt Manuela Schwartz. In Gemeinschaft könnten sich die Menschen gegenseitig helfen und alternative Modelle finden. Die Apokalypse muss warten.

Apokalypse auf dem Campus


Professorin Dr. Manuela Schwartz

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