Magdeburgs erste Solidarische Landwirtschaft – kurz Solawi – finanziert und verteilt nachhaltig angebautes Bio-Gemüse aus der Region. Der Anbaubetrieb soll freier von Kostendruck und dem Risiko von Ernteausfällen wirtschaften. Ist das die Zukunft?

Bio, regional, saisonal – die Sehnsucht nach natürlicher Nahrung aus heimischem, nachhaltigem Anbau ist groß. Doch die Preise für „Bio“ kann an der Supermarktkasse nicht jeder zahlen – und die Fülle der Siegel der Industrie schafft nicht immer mehr Vertrauen. Als Antwort darauf gründen sich in immer mehr Städten so genannte Solidarische Landwirtschaften, kurz Solawis. Sie wollen eine „andere“ Landwirtschaft nach den Prinzipien von Nachhaltigkeit und Solidarität etablieren und erklärtermaßen „Keimzellen einer Gesellschaft“ sein, „in der das gute Leben für Alle möglich ist“.

Nach Branchenangaben gibt es bereits fast 250 von ihnen in der Bundesrepublik. Seit 2020 existiert auch die erste in der Ottostadt. Hier hoben Magdeburger die Solawi Vielfeld für nachhaltigen Bio-Gemüseanbau in der Region (u.a. ohne chemische und synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel) aus der Taufe. „Unser Gemüse wird solidarisch finanziert und verteilt“, sagt Leonie Steinherr, eine der Mitbegründerinnen und selbst studierte Öko-Landwirtin. Motto: Ein Verein – ein Betrieb.

„Die Idee haben wir mit einigen Freunden auf einem Klimacamp in Leipzig kennengelernt und nach Magdeburg gebracht“, so Steinherr. Das Konzept entstand bereits in den 1960er Jahren in Japan. Dort beteiligte sich Berichten zufolge in den zurückliegenden Jahren jeder vierte Haushalt an einem solchen Projekt. Ähnlich wie bei einer Genossenschaft können die Mitglieder der als Verein organisierten Solawi selbst Anteilseigner werden. Pro Ernteanteil verpflichten sie sich im Voraus, für ein Jahr einen bestimmten Betrag pro Monat für ihr Gemüse zu zahlen. Der Unterschied: Wer mehr Geld zur Verfügung hat, gibt mehr für die Solawi – wer weniger Einkommen hat, steuert weniger bei.

Für jeden Anteil gibt es wöchentlich eine bestimmte Menge Gemüse nach Demeter-Standard für den täglichen Bedarf frisch vom Feld, und das derzeit an zwei Ausgabestationen in der Landeshauptstadt. „Mit der Lieferung für einen Ernteanteil können ein bis fünf Personen versorgt werden, je nachdem, wie viel Gemüse man verbraucht“, so Michael Krack, ebenfalls Gründungsmitglied der Solawi. Aktuell würden rund 200 Menschen über rund 80 Ernteanteile versorgt.

Die Vereinsmitglieder bauen ihr Gemüse indes nicht selbst an, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte. Leonie Steinherr erklärt, woher das Gemüse stammt: „Unser Kooperationspartner ist der Gerwischer Gemüsegarten, ein junges, nachhaltiges Unternehmen.“

Hier kommt eine weitere Besonderheit ins Spiel: Das Unternehmen wird durch den Verein jeweils für ein Jahr im Voraus „durchfinanziert“. Das heißt: Der Landwirt kalkuliert, welche Einnahmen er benötigt, um die Solawi das ganze Jahr über mit Früchten seiner Feldarbeit versorgen und die Kosten dafür decken zu können. Die Solawi sammelt das Geld ein.

„Das Risiko wird auf mehrere Schultern verteilt. Ernteausfälle sind nicht existenzgefährdend, da der Betrieb für den Anbau finanziert wird. Der Kostendruck durch die Marktpreise entfällt“, erklärt Solawi-Mitbegründer Michael Krack: „Auf der anderen Seite weiß ich als Konsument, wo das Gemüse herkommt und dass nur in der Kiste landet, was gerade vom Acker kommt oder vom Landwirt vor Ort selbst gelagert wurde. Transportkosten, Verpackungsmüll und die Belastungen für Umwelt und Klima werden reduziert.“

Damit sei Magdeburgs erste Solawi auf Erfolgskurs, sagt Leonie Steinherr: „Wir haben im ersten Jahr mit 48 Anteilen begonnen und uns im zweiten Jahr auf 80 gesteigert. Neue Anteilseigner zu finden, war nicht schwer“, sagt sie. Die Monatsbeiträge variierten zwischen 65 und 130 Euro, Richtwert seien 90 Euro.

Die Solawi Vielfeld möchte weiter wachsen, aber nicht unbegrenzt, wie Steinherr deutlich macht: „Irgendwann ist das Limit an Menschen erreicht, die der Hof mit Gemüse versorgen kann und ab dem es zwischen den Mitgliedern anonymer und weniger persönlich wird.“ Die Initiatoren setzen darauf, dass sich auch in Magdeburg weitere kleinere Solawis gründen. Sie sollen Landwirtschaft und Ernährung nachhaltig verändern und die Welt damit besser und gerechter machen.

Landwirtschaft neu gedacht


Leonie Steinherr und Michael Krack

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