Studieren für die moderne Gesellschaft

Mensch-Technik-Interaktion: Ein deutschlandweit einzigartiger Studiengang wurde an der Hochschule Magdeburg-Stendal entwickelt.

Die Kombination aus den drei Säulen Technik, Sozialwissenschaften und Psychologie gibt es so bisher nirgendwo. An der Magdeburger Fachhochschule hat sich ein Team rund um Professor Dr. Dieter Schwarzenau den Herausforderungen der modernen Gesellschaft gestellt und in der Landeshauptstadt einen innovativen Studiengang komplett neu aufgebaut. Er trägt den Titel „Mensch-Technik-Interaktion“.

Im Mittelpunkt steht die sich rasant entwickelnde Technik und die Überforderung vieler Menschen im Hinblick auf die zahlreichen, neuen Innovationen. „Das hohe Tempo, indem heute technische Möglichkeiten weiterentwickelt werden, kann Ängste auslösen. Wir haben nie gelernt, gemeinsam Lösungen zu finden, damit jeder das Gute daraus ziehen kann“, erklärt Professor Dieter Schwarzenau vom Institut für Elektrotechnik. Seine Forschungsschwerpunkte sind Kabelnetze und Lichtwellenleiter-Technik.

Dieter Schwarzenau: „In den meisten Fällen gehen Ingenieure bei der Entwicklung von ihren eigenen Bedürfnissen aus.“ Mit dem neuen Studiengang soll sich das ändern. Denn Innovationen sollten viel eher im Einklang mit den Wünschen der zukünftigen Nutzer entstehen. Die Studenten lernen während der sieben Semester des Bachelor-Studiengangs einerseits die Ängste der Menschen - ob begründet oder unbegründet - zu verstehen. Und andererseits erwerben sie so viel technisches Verständnis, um als Vermittler zwischen Technik und Nutzer wirken zu können.

Die Idee zur Kombination der verschiedenen Kompetenzen ist im November 2016 während eines Workshops zwischen den Wissenschaftlern der Magdeburger Fachhochschule erstmals diskutiert worden. „Der Zuspruch war sofort da und wir wurden von vielen Seiten unterstützt“, macht Professor Dieter Schwarzenau deutlich. Und ganz offenbar war das Thema auch für die angehenden Studenten sofort interessant.  Als nur drei Jahre später, im Wintersemester 2019, der Studiengang erstmals startete, hatten sich 49 Studenten eingeschrieben. 43 von ihnen meldeten sich zum Sommersemester zurück, ein guter Schnitt.

Worum es für die Studenten in ihrer anstehenden Ausbildung gehen wird, macht Dieter Schwarzenau an einem Beispiel deutlich: Menschen mit besonderen Bedürfnissen haben einen großen Bedarf an Technik, von der Armprothese bis zum Hörgerät kann das alles sein. Doch ein großer Teil von ihnen nutze diese Möglichkeiten gar nicht, weil sie die technische Lösung überfordert oder beängstigt.

Die zukünftigen Absolventen sollen in erster Linie herausfinden: Wo liegen die Probleme, was benötigen die Betroffenen an technischer Unterstützung? In einem zweiten Schritt können sie mit ihrem erworbenen Technikverständnis erste Konzepte und Ideen entwickeln, derer sich anschließend ein Ingenieur annimmt. Und in einem letzten, sehr wichtigen Schritt müsse es darum gehen, den möglichen Nutzern das Produkt näherzubringen und sie aufzuklären - damit sie am Ende von der Hilfe auch profitieren können.

Der Professor macht deutlich, dass genau diese Fertigkeiten in vielen Bereichen Anwendung finden könnten. Die beruflichen Aussichten stehen gut. Er und seine verantwortlichen Kollegen aus den verschiedenen Fachbereichen haben genaue Einsatzorte vor Augen. Professor Schwarzenau selbst hat unter anderem sofort positives Feedback aus dem Bereich der Medizintechnik erhalten. „Es fehlt den Firmen offenbar an Produktmanagern, die nicht nur die Technik, sondern vor allem auch den Menschen sehen.“

Die Sozialwissenschaftler sehen währenddessen einen großen Bedarf bei nichtstaatlichen Organisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz. Für die sozialen Unternehmen sei die Digitalisierung eine der größten Herausforderungen. Beispiel: Eine Koordination von Pflegekräften per App könnte vieles erleichtern, sei aber weder technisch noch in punkto Akzeptanz durch die Mitarbeiter aktuell umsetzbar. Außerdem gebe es zahlreiche Einsatzmöglichkeiten in Kommunen und Ministerien. Unter anderem auf Grund des neuen Teilhabegesetzes, welches Menschen mit Behinderung in den Fokus rückt, würden Absolventen mit genau so einem Profil gesucht.

Dieter Schwarzenau ist überzeugt, dass der innovative Studiengang wichtig für die Profilbildung und Entwicklung der Magdeburger Fachhochschule sein kann. Er selbst ist seit 1998 an der Hochschule tätig und hat miterlebt, wie sich die Zeiten verändert haben. Gab es einst zu viele Bewerber, müsse man heute um die Studenten kämpfen. Was dabei klar für Magdeburg spricht: „Es gibt hier zwar leider keine ganz großen Firmen, dafür aber viele mittelständische Unternehmen, die sehr viel Kreativität an den Tag legen.“ Dieter Schwarzenau ist froh über den regen Austausch zwischen Wissenschaftlern und Firmen in der Region.

MENSCH-TECHNIK-INTERAKTION


Prof. Dr. Dieter Schwarzenau