So einfach wie innovativ: Eine Projektgruppe der Orthopädischen Universitätsklinik erforscht einen Biomarker, mit dem sich Infektionen sicherer identifizieren lassen.

Manchmal sind Lösungen so naheliegend, dass man sich wundert, dass sie noch niemand gefunden hat. So geht es Prof. Dr. Jessica Bertrand, als sie bei einem Kongress mit einem Kooperationspartner die Idee bespricht, das terminale Komplementsystem, das die Hauptaufgabe hat, Bakterien zu zerstören, als Biomarker für Infektionen einzusetzen. Die Leiterin der Experimentellen Orthopädie an der Universitätsklinik Magdeburg erklärt, was dahintersteckt: „Es gibt zwei Arten von Entzündungen. Die septische, das ist bakteriell induzierte Entzündung, und die aseptische Entzündung, welche nicht von Bakterien ausgelöst wird. Denkt man dabei an die Entzündung im Gewebe in der Nähe von Prothesen, ist es oft nicht einfach, beide Arten zu unterscheiden.“ Das wiederum sei jedoch wichtig, weil beide Entzündungsarten unterschiedlich behandelt werden müssen. „Bei falscher Einschätzung kann es vorkommen, dass Patienten*innen nicht richtig therapiert werden und sich eine Prothese immer wieder infiziert“, sagt Ann-Kathrin Meinshausen.

Auch der Doktorandin liegt die Forschungsarbeit am neuen Biomarker sehr am Herzen. Darum treiben das Frauenduo und das zehnköpfiges Team die Validierung voran. In anderthalb Jahren wurden 120 Patienten*innen mit dem neuen Biomarker getestet. Ann-Kathrin Meinshausen weiß, dass der Biomarker „im Vergleich zu bereits etablierten Markern schon sehr gut zwischen septischen und aseptischen Entzündungen unterscheiden kann“. Bisher werde bei Verdacht auf einen Infekt der Prothese eine Gelenkspülung vorgenommen und aus der entnommenen Gelenkflüssigkeit und einer Gewebeprobe eine Bakterienkultur angelegt. Mit dem neuen Biomarker könnte die Gewebeprobe eingebettet und mittels einer Immunfärbung untersucht werden. „Wir wollen dahin, dass man eine Art Schnelltest entwickelt, während der OP ein Gewebestück in eine Flüssigkeit gibt und sieht, ob unser Biomarker vorhanden ist“, erklärt Prof. Dr. Jessica Bertrand. Das Patent hätten sich die Magdeburger Forscher*innen bereits gesichert, jetzt liefen weitere Entwicklungsstufen. Die Wissenschaftlerinnen sind „sehr optimistisch, dass der Biomarker zum Einsatz kommt“, sagt Jessica Bertrand. Erste Kontakte zu einem Pharmaunternehmen, das Interesse am Patent hat, seien bereits geknüpft.

Es ist ein weiterer Erfolg für Prof. Jessica Bertrand, einer, den sie gern teilt. Sie sagt: „Daran haben viele Menschen ihren Anteil, und auch die idealen Voraussetzungen in Magdeburgs Forscherlandschaft sind eine wichtige Basis.“ Die Diplom-Biologin kann vergleichen, hat einige Stationen im Lebenslauf vorzuweisen. Nach dem Studium in Osnabrück und der Promotion in der Kardiologie am Leibniz-Institut für Arteriosklerose Forschung der Uni Münster, geht sie in die orthopädische Forschung, geht mit einem Stipendium nach London, kehrt zurück nach Münster, wird Emmy-Noether Stipendiatin am Institut für Experimentelle Muskuloskelettale Medizin und kommt 2015 als Professorin für Experimentelle Orthopädie nach Magdeburg. Vor zwei Jahren erhält sie einen renommierten Preis für klinisch-orthopädische Forschung. Stets achtet sie darauf, kliniknah zu arbeiten. „Das geht hier in Magdeburg richtig gut“, sagt sie. Nach fünf Jahren in der Ottostadt findet die im Ruhrgebiet aufgewachsene Wissenschaftlerin es „immer noch total schön hier“. Sie spricht von einer Stadt „mit einer guten Größe, wo nicht alles so anonym, und die Landschaft reizvoll ist“. Sie sagt: „Ich habe in Magdeburg sehr schnell Anschluss in der Fakultät gefunden. Hier fliegt man nicht unter dem Radar, kommt gut in Kontakt, und es gibt viele gute Arbeitsgruppen mit hochrangigen Forschungsprojekten.“ Dass sie an der Elbe gelandet ist, hat auch mit ihrem damaligen Chef in Münster zu tun – einem Magdeburger, der ihr die Stadt empfiehlt. „Ich fand Magdeburg interessant, habe sofort nette Menschen kennengelernt.“ Mit ihrem Mann hat sie eine alte Stadtvilla gekauft. Und das sei nur ein Argument, hierzubleiben, wie sie sagt.

Als Wissenschaftlerin denkt sie bereits wieder weiter, treibt innovative Forschung voran. „Langweilig wird es hier jedenfalls nicht“, sagt Jessica Bertrand. „Ganz im Gegenteil. Es wird jeden Tag spannender.“

Biomarker - Infektionen entdecken


Ann-Kathrin Meinshausen und Prof. Dr. Jessica Bertrand