Wissenschaftler*innen entwickeln ein Kugelendoskop mit beweglicher Kamera, das neue OP-Techniken ermöglicht.

Bei der Endoskopie führen Mediziner für Untersuchungen ein Gerät durch eine Körperöffnung und können mittels optischer Systeme, wie einer Kamera, einer Lichtquelle oder per Weiterleitung über Kabel Bilder nach außen senden. Das Endoskop ist also so etwas wie das verlängerte Auge des Arztes in den Körper hinein. Prof. Dr. med. Christoph Arens beschäftigt sich seit Jahren damit, ihn lässt die Idee nicht los, nicht nur einfach in Körper hineinzuschauen, sondern mit Licht-Nuancen und -wellenlängen Tumore und deren Vorstufen besser zu erkennen. Dabei in alle Richtungen zu schauen, mit einem Endoskop, das auf der einen Seite vergrößern, andererseits aber auch das Licht gut übertragen kann, das flexibel und starr nutzbar ist – das ist eine Vorstellung, die ihn mit Dr.-Ing. Axel Boese zusammenbringt. Den Direktor der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie Magdeburg und den studierten Maschinenbauer der INKA-Forschungsgruppe an der Medizinischen Fakultät vereint, dass sie ständig auf der Suche sind, nach technischen Lösungen für medizinische Probleme.

Mit einem Team nehmen sie die Idee auf und bauen sie aus zu einer Erfindung und Innovation „made in magdeburg“. Die Wissenschaftler*innen entwickeln mit der „InKRAFT GmbH“, einer Ausgründung aus der Hochschule Magdeburg-Stendal, und der Mikrosystemtechnik der Universität ein Kugelendoskop für Mediziner*innen. Das trägt an der Spitze in der Kugel eine bewegliche Kamera, die nicht nur um einen Winkel von 120 Grad aus einer Sichtachse geschwenkt, sondern auch um 360 Grad gedreht werden kann. „Dadurch kann ein Hohlraum, wie der Kehlkopf dargestellt werden, ohne Wechsel des Endoskops, wie es bisher meist gehandhabt wird“, so Prof. Dr. Christoph Arens. Mit dem ersten Prototypen der medizintechnischen Neuerung gewinnt das Team vor sieben Jahren den Sonderpreis „Gesundheit und Medizin“ beim „Hugo-Junkers-Preis für Forschung und Innovation aus Sachsen-Anhalt“ und beeindrucken Fachleute – auch, weil ihr Endoskop die Basis bildet für eine neue Operationstechnik – bei der die optische Bildgebung mit Fußpedal – und in der Weiterentwicklung auch mittels Brille per Augenbewegung, dem sogenannten Eyetracking – gesteuert werden kann.

Mit dem bereits vor Jahren patentierten neuen Verfahren könnten die Wissenschaftler auch andere Bereichen revolutionieren. „Denkbar“, so Dr.-Ing. Axel Boese, „wäre ein Wechsel von der aufwendigen, kostspieligen mikroskopischen zur rein endoskopischen Chirurgie für ausgewählte Anwendungen, wovon nicht nur HNO-Mediziner profitieren könnten“.

Was solche gemeinsamen Entwicklungen zeigen, sei beispielhaft für diesen Standort, ergänzt der Klinikdirektor. „Hier verschränken sich Medizin und Technik zur Medizintechnik.“ Interdisziplinär zu denken und zu arbeiten, das sei in Magdeburg an der Tagesordnung, meint auch Axel Boese. „Hier können wir auf kurzen Wegen Kontakte knüpfen, die Kliniktüren stehen offen, Expert*innen finden schnell zusammen, um problemorientierte Lösungen zu generieren.“ Für das Kugelendoskop haben Experten*innen verschiedener Fachrichtungen zusammengearbeitet, ein Konsortium gegründet, Gespräche mit Mediziner*innen geführt und den Fokus auch direkt auf die Fertigungsmöglichkeit gerichtet. Die INKA-Forschungsgruppe verfolgt diesen wichtigen Ansatz, so Dr.-Ing. Axel Boese, um klinische Probleme zu lösen, zertifizierte Hersteller dafür zu begeistern und Innovation in die klinische Anwendung zu bringen. Dabei sei immer alles im Fluss, meint Prof. Christoph Arens, das Projekt stünde nicht still, werde vielmehr immer weiterentwickelt. Neben der Neuentwicklung eines flexiblen Kugelendoskops, wird daran gearbeitet die übertragenen Bilder mit Künstlicher Intelligenz zu kombinieren, sodass Computer die automatische Bilddiagnostik erlernen. Der Klinikdirektor verweist in diesem Zusammenhang auf Magdeburg als wichtigen Medizintechnik-Standort, der nicht nur einen bedeutenden Studiengang an der Otto-von-Guericke-Universität hat, eine beispielhafte Universitätsklinik, sondern an dem auch viele Fachleute daran arbeiten, Innovationen voranzutreiben. Er sagt: „Magdeburg hat viel Potenzial, das müssen und werden wir weiter nutzen.“

Kugelendoskop - Medizintechnik-Innovation "made in magdeburg"


Dr. Axel Boese und Prof. Dr. Arens