Selbst zum Sport-Kommentator werden

 

Mit der App aus Magdeburg können Sportfans selbst Fußballspiele kommentieren oder anderen Kommentatoren folgen. Zukünftig könnte die App außerdem für guten Ton in Hörsälen der Uni sorgen.  

Der Magdeburger Marcel Heße ist das, was man einen Fußball-Junkie nennt. Das Problem: Live-Übertragungen seines Lieblingssports konnte er nicht mehr genießen. Sein Frust über die Kommentatoren wurde immer größer. Deswegen stellte der Betriebswirtschaftler sich die Frage: Warum sich nicht einfach den Kommentator selbst aussuchen? Oder sogar in Eigenregie für andere Fans das Spiel kommentieren?

Aus der Idee wurde ein Plan und aus dem Plan ein Start-up: die mycrocast GmbH. In einem sozialen Netzwerk für berufliche Kontakte suchte Marcel Heße nach dem passenden Mitbegründer. Und fand in Sven Beeckmann den perfekten Mitstreiter. 2009 kam der Thüringer für sein Informatikstudium nach Magdeburg. Die Idee des Audio-Live-Streaming reizte ihn. Sven Beeckmann entwickelte schnell einen Prototypen, um zu testen, wie gut das Ganze umsetzbar ist. Die technischen Herausforderungen waren groß, aber es ist möglich. Mittlerweile stecken insgesamt 13.000 Entwicklerstunden in mycrocast.

Ähnlich wie beim Radio werden mit der innovativen Software die Kommentare live gesendet und empfangen. Jeder kann dabei sein. „Bisher gibt es nur wenig Vergleichbares“, sagt Informatiker Sven Beeckman. Nutzer können entweder die mycrocast-App auf ihr Smartphone laden oder das Programm ist direkt auf Webseiten eingebunden. So wie beim Bundesligaverein Werder Bremen. Auf diese Zusammenarbeit sind die Gründer besonders stolz. Dem Bremer Verein folgen allein auf Facebook eine Million Fans. Eine bessere Werbung für mycrocast gibt es nicht. CEO Marcel Heße: „Das sind genau die Nutzer, für die wir unsere Software entwickelt haben.“ Nämlich Sportfans!

Auch der Bundesligist SC Freiburg sowie die Fußballer vom FC Viktoria Köln 1904 und dem FC Ingolstadt sind bereits mit an Bord. Hinzukommen kleinere und Amateurvereine, die auf diesem Weg ihre Fans auf dem Laufenden halten können. Deswegen freuen sich die Gründer sehr über eine anstehende Zusammenarbeit mit dem Fußballmagazin Kicker. So können sie noch stärker auf ihr Projekt aufmerksam machen. Aber den Machern geht es nicht nur um Fußball, mycrocast ist für alle Sportarten gedacht. Mit den Eishockeyspielern von den Hannover Scorpions begann alles. Heute sind unter anderem mit dem Deutschen Basketball Bund und dem Volleyball-Verband Kooperationen vereinbart.

Doch zurück zu den Anfängen: Marcel Heße und Sven Beeckmann gaben für die eigene Unternehmensgründung ihre Festanstellungen auf. Mit Hilfe eines Gründerstipendiums der Investitionsbank Sachsen-Anhalt wagten sie 2018 den Schritt in die Selbstständigkeit. Dabei haben die beiden Unternehmer jede Menge Unterstützung vom Transfer- und Gründerzentrum der Otto-von-Guericke-Universität bekommen. „Noch heute werden wir von den Mitarbeitern gut betreut“, sagt Marcel Heße.

Überhaupt seien sie in Magdeburg immer auf offene Ohren gestoßen. Die vielen Anlaufstellen und Fördermöglichkeiten seien ein großer Vorteil gegenüber anderen Standorten. „Der Zugang zur Politik ist hier sicher leichter als anderswo. Es schaut auch mal jemand aus dem Ministerium direkt vorbei und hört sich die Probleme an“, spricht Marcel Heße aus Erfahrung. Zudem sei die Kommunikation zwischen den einzelnen Start-ups sehr gut. „Wir stehen regelmäßig in Austausch mit anderen Unternehmen.“

Obwohl es ein Vorteil sei herauszustechen, würden sich die beiden Gründer eine größer werdende, florierende Gründerszene für Magdeburg wünschen. Sven Beeckmann: „Dadurch würden Jobs für die hier gut ausgebildeten Studenten entstehen.“ Auch mycrocast soll Arbeitsplätze schaffen. Intensiv arbeiten die Zwei bereits mit Werksstudenten aus dem IT-Bereich zusammen. „Die Ausbildung in Magdeburg ist hervorragend, wir würden die Leute gerne hier halten“, macht Sven Beeckmann deutlich.

Wo steht mycrocast zukünftig? Zahlreiche Vereine und ihre Fans sollen mit Hilfe der Magdeburger Innovation ihre Spiele verfolgen. Die Unternehmer haben begonnen, auch den Auslandsmarkt zu erschließen. Was die Internetplattform YouTube für Video ist, könnte mycrocast für Audio werden. „Wir denken ganz groß, warum sollten wir uns in unseren Visionen begrenzen“, so Marcel Heße. Zusätzlich werden weitere Anwendungsmöglichkeiten erforscht. Sven Beeckmann nennt ein wichtiges Beispiel: In Zusammenarbeit mit der Otto-von-Guericke-Universität wird mycrocast so weiterentwickelt, dass zum Beispiel Studenten mit Hörschwierigkeiten in einem vollen Hörsaal problemlos dem Dozenten folgen könnten.

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