Verändern Mooswände bald unsere Städte und machen die Luft sauberer? Magdeburger Erfinder glauben an diese Idee und setzen auf die Superkraft der Pflanzenpolster.

 

Die winzigen Partikel sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen, umso größer ist die Diskussion um Feinstaub und Stickoxide. Städte weltweit ächzen unter Rußteilchen, aber auch dem Abrieb von Reifen, Kupplungen und Bremsen oder mikroskopisch kleinen Plastikteilchen in der Atemluft. Wie stark greifen sie die Gesundheit an, wie können sie vermieden werden – und müssen Fahrverbote her?

Magdeburger Erfinder packen das Problem anders an. Sie verfolgen die Vision, mit den Superkräften von Moos die Luft zu reinigen und damit gleichzeitig die Städte auf natürliche Art zu verschönern und lebenswerter zu machen.

Mit Moos? Ja! Während Garten- oder Grundstückbesitzer den Pflanzen zwischen Pflastersteinen oder auf dem Rasen vehement zu Leibe rücken, nehmen Forscher ihre positiven Eigenschaften in den Blick. „Moos nimmt nicht nur CO2 auf und wandelt dieses um, sondern absorbiert auch in größerem Umfang Feinstaub und filtert die Luft“, erklärt Lucas Berns vom Magdeburger Startup-Projekt „Moosaik“.

In Laborversuchen funktioniere das Prinzip bereits sehr gut. Berns will die natürliche „Staubsauger“-Wirkung künftig großflächig im Städtebau umsetzen. Dazu sollen im nächsten Schritt umfangreiche Tests in realer Umgebung gemacht werden.

„Moosaik“ bringt dabei Natur und Hightech zusammen. „Wir haben Panele entwickelt, aus denen in einem Modulsystem vertikale Moosflächen installiert werden können“, so der Forscher. Die einzelnen Teile werden wie bei einem Mosaik an der Hauswand zu einer grünen Fassade zusammengesetzt. Im Innern der Bauteile verbergen sich Sensoren und Leitungen. So kann die Feuchtigkeit gemessen, das Moos bewässert und gekoppelt mit einer Photovoltaikanlage mit Sonnenlicht der benötigte Strom erzeugt werden. Damit sollen künftig riesige Filterwände entstehen, die völlig autark funktionieren. „Für die Bewässerung nutzen wir Regenwasser“, so Behrens.

Bereits neben seinem (abgeschlossenen) Studium „Nachhaltige Energiesysteme“ an der Otto-von-Guericke-Universität tauchte der aus dem Niederrhein stammende Entwickler, der zum Masterstudium nach Magdeburg kam, vor einigen Jahren tiefer in die weiche Welt der Moospolster ein. Engagiert in der Studierenden-Organisation Enactus Germany ging er der Frage nach, ob und wie Fassaden mit Moos begrünt werden können, um damit die Luft in der Stadt zu reinigen.

Dazu gegründete ein eigenes Team, zu dem mit Maren Huhle auch eine Studentin der Wirtschaftswissenschaften zählt. „Wir haben irgendwann gemerkt, da könnte mehr draus werden“, sagt auch Dr. Andreas Voigt, der von Seiten der Uni das Projekt begleitet. Mit ihrer Idee überzeugten sie auch die Investitionsbank von Sachsen-Anhalt. Diese bewilligte eine Gründerförderung für „Moosaik“.

So kann das Team nun den nächsten Schritt in Angriff nehmen: Auf dem Uni-Campus beginnt noch im Sommer 2020 der Aufbau einer 45 Quadratmeter großen Testwand an einem Gebäude. „Diese wird in Zusammenarbeit mit dem Verein Kulturanker künstlerisch gestaltet. Denn die Frontseite ist für so etwas gut geeignet und kann für spektakuläre Ansichten im Stadtbild sorgen“, hebt Lucas Berns einen weiteren Pluspunkt seiner Erfindung hervor.

Für ein Jahr soll die Wand getestet werden. Vom Erfolg ist das Team überzeugt. Auch Mentor Andreas Voigt sieht gute Chancen für eine anschließende Unternehmensgründung: „Ich bin von der Idee begeistert, Nachhaltigkeit und grüne Ideen liegen mir am Herzen“, sagt er.

Dass bei einem Versuch mit einer Mooswand in Stuttgart vor einiger Zeit der bahnbrechende Erfolg ausblieb, hat Lucas Berns natürlich genau analysiert. „Dort gab es Probleme. Das Moos wurde mit Wassernebel von vorn befeuchtet. Durch den Fahrzeugverkehr wurde der Nebel so stark verwirbelt, dass die Pflanzen austrockneten. Wir bewässern hingegen von hinten das Substrat, auf dem das Moos wächst. Mit Sensoren wird die Feuchtigkeit ständig gemessen“, erklärt er.

Moosaik soll dem Prinzip der Moosfassaden zum Durchbruch verhelfen und das nächste „große Ding“ aus Magdeburg werden. Die Ottostadt hat vielleicht bald einen neuen Öko-Exportschlager.

Moosaik – saubere Luft für die Städte


Lucas Berns
Andreas Voigt