Frischer Wind im alten Handwerk: Traditionsreicher Familienbetrieb setzt auf moderne Kommunikation, große Netzwerke und ungewöhnliche Kreationen.

Mit einem Brot unterm Arm oder Nudelholz an der Wange: So ist Marcus Ostendorf Anfang des Jahres deutschlandweit auf Plakaten, Bussen, Bildschirmen und in den sozialen Medien zu sehen. Als einer von fünf Botschaftern verbreitet der Bäckermeister das Motto der Imagekampagne des Handwerks – „Wir wissen, was wir tun“, ergänzt mit seinem Spruch „Was ich tue, macht mich kreativ“. Und weil der 30-Jährige die Botschaften wirklich überall hintragen soll, ist er sogar beim Bundespräsidenten eingeladen. „Wir haben hier schon viel erlebt, aber bei einem Staatsoberhaupt war noch nie jemand von uns“, sagt Marcus Ostendorf und lacht. Dieses „wir“ bezieht er auf seine Familie, die seit 177 Jahren im heutigen Ortsteil einer Gemeinde vor den Toren der Landeshauptstadt das Bäckerei-Handwerk betreibt.

Als die Möhrings 1843 das Backhaus von der Gemeinde erwerben, haben sie sich nicht träumen lassen, was die Ururenkelin Kerstin Ostendorf und ihr Sohn Marcus hier machen. Zu sagen, dass sie weit über den Tellerrand schauen, reicht fast nicht aus. Der junge Bäcker mit der wilden Frisur hebt sein Handwerk in die Zukunft. „Wer Lust auf etwas Neues hat, ist bei uns richtig“, sagt Kerstin Ostendorf. Wie ihr liegt auch ihren Kindern das Backen und Kreieren im Blut. Während die Tochter als Konditorin ihre Erfahrungen sammelt, bringt der Sohn vor Ort Schwung in die siebte Bäckergeneration des Geschäftes, zu dem auch eine Filiale in Dahlenwarsleben gehört. „Damals haben wir gesagt, wir wollen jedem Kunden etwas bieten“, so Kerstin Ostendorf. „Heute sagen wir dazu generationsübergreifendes Marketing“, ergänzt der Sohn, zu dessen wichtigstes Arbeitsmitteln das Smartphone gehört. Er ist in vielen Chatgruppen unterwegs, kommuniziert mit Kollegen auf der ganzen Welt, tauscht sich aus über natürliches und chemiefreies Backen oder natürliche Rohstoffe. Aus so einem Austausch entsteht die Reihe „Das-Da-Brot“, die nach dem häufigsten Kundenwunsch benannt ist: „Ich möchte bitte das da …“. Alle zwei Wochen kommen ungewöhnliche Brotsorten in die Auslage der „Bäckerei Möhring“ – wie Tomate-Buttermilch, Sauerkraut-Schinken oder Rotwein-Cheddar. Stamm- und Neukunden, Gastronomen, Pendler, die extra hier anhalten, überzeugen sie damit. Zu sehen sind die „Das-Da“-Kreationen neben weiteren Angeboten auf Fotos bei Facebook und Instagram, für die der Bäckermeister häufig ein kleines Studio aufbaut.

Neben dem Präsentieren gehöre auch die Transparenz zum Geschäft, meint er. „Wir achten auf Vielfalt und die Gesundheit“, so Marcus Ostendorf. Gebacken werde möglichst ohne Zusatzstoffe, Teige werde eine lange Fermentierungszeit gegönnt, um jene ungewünschten Inhalte abzubauen, die es Menschen mit Intoleranzen schwer mache, Brotwaren zu genießen. Dazu weht der Innovationswind durch die Backstube mit den modernen Maschinen. „Wir komponieren gern“, sagt Marcus Ostendorf, „weil es Laune macht“. So backen sie in Meitzendorf auch schon mal schwarze Brötchen für einen Burgerladen – mit Tintenfisch-Tinte – oder das Dinkelbaguette „Magic-Stick“ für alle, die kein Weizenbrot essen und in dem Kürbiskerne, Chia-Samen und Goji-Beeren stecken. Auch ein mit Algenextrakten versehenes Baguette kommt aus der Bäckerei. Die grüne Zutat stammt von einer altmärkischen Algenfarm – einem von vielen Kooperationspartnern der Ostendorfs. Als sie blaues Algenbrot auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin vorstellen, daraufhin ein Beitrag bei RTL läuft und die Handwerks-Kampagne startet, ist der Laden rappelvoll – und die Regale sind komplett leer. Wenn die Auslagen mit Brot und Brötchen, Baguettes, Torten, Keksen und Kuchen am Ende des Tages so aussehen, freuen sich die Ostendorfs. „Dann haben wir ordentlich Appetit gemacht“, so der Bäckermeister, der unermüdlich von Ideen und Projekten spricht. Von der Kooperation mit der Hochschule Anhalt in Bernburg, wo er mit Ökotrophologen als Mentor Studenten das Backen beibringt. Oder vom geplanten Stollenback-Kurs, von der „Best-of“-Aktion, von der App, mit der Warenreste im Internet verkauft werden. Von einem Walnuss-Rosmarin-Brot, das er gern ausprobieren möchte. Menschen und Möglichkeiten, für weitere Kooperationen, neue – eher ungewöhnliche – Produkte und die Umsetzung frischer Geschäftsideen gäbe es in Magdeburg und Umgebung genug, ist sich Marcus Ostendorf sicher. Er sagt: „Hier ist ein guter Boden, um Innovatives und Kreatives wachsen zu lassen.“

Bäckerei Möhring


Kerstin und Marcus Ostendorf