Kerstin Baumgarten hat es sich zum Ziel gemacht, Menschen mit Gesundheitskompetenz auszustatten. Wie das geht, erklärt sie am Beispiel der Gesundheitslotsen.

Seit 2015 gibt es an der Hochschule Magdeburg-Stendal Projekte zur Stärkung der Gesundheitskompetenzen der Bevölkerung. Was erst einmal etwas sperrig klingt, hat einen ernsten Hintergrund, wie Prof. Dr. Kerstin Baumgarten von der Hochschule erklärt: „Studien besagen, dass in Deutschland und somit auch in Sachsen-Anhalt etwa 55 Prozent der Bewohner über eine suboptimale Gesundheitskompetenz verfügen. Dazu gehören chronisch Kranke, ältere Menschen, Menschen mit einem niedrigen Bildungsstand.“ Um genau diesen Menschen besser helfen zu können, engagieren sich Gesundheitslotsen, die Orientierung in den Dschungel der Informationen rund um die Gesundheit bringen sollen. Doch wie wird man eigentlich zum Gesundheitslotsen? Das Projekt setzt auf das Prinzip Peer-Education (Ausbildung durch Gleichgesinnte): Angehörige der jeweiligen Zielgruppe werden ausgebildet, um das Wissen in die Zielgruppe zu transportieren. Im Projekt „Gesundheitslotsen“ lernen die Freiwilligen, wie man Informationen finden, bewerten und anwenden kann. Kerstin Baumgarten erklärt: „Es geht im Kern darum, den Menschen eine Orientierung zu bieten. Wie finde ich verlässliche Informationen? Wie nutze ich eine bestimmte App? Wie bewerte ich Gesundheitsinformationen kritisch? Wie kann ich mich im Gesundheitssystem orientieren? Wir arbeiten freiwillig über soziales Engagement zusammen und bilden die Lotsen hier an der Hochschule aus. Die Lotsen gehen dann in ihre Nachbarschaft, in die Kommunen, in die Senioreneinrichtungen.“

In Magdeburg gebe es verhältnismäßig viele ältere Menschen mit Vorerkrankungen, bei denen großer Handlungsbedarf bestehe. Ständig im Programm sind zehn Gesundheitslotsen. Diese werden in den Alten- und Servicezentren der Stadt und in den Stadtteiltreffs tätig.  „Natürlich ziehen immer mal auch Leute weg oder werden krank oder finden die Zeit nicht mehr, weil sich ihr Leben ändert“, weiß Kerstin Baumgarten. Lotse werden kann im Grunde jeder, der ein Interesse für das Thema Gesundheit und den Willen zum Lernen mitbringt. Zur Schulung gehört auch Konfliktbewältigung und das Betreuen von Gruppen. „Das vermitteln wir aber natürlich, bevor die Lotsen starten “, so Kerstin Baumgarten. Vielfach seien es momentan ältere Menschen, die mit Beginn ihres Ruhestandes eine sinnvolle Beschäftigung suchen. Doch auch Studierenden der Hochschule lassen es sich vielfach nicht nehmen, in Zusammenarbeit mit den Älteren die Gesundheitskompetenz zu stärken. „Die Studierenden können den Senioren da ja auch in Sachen Technik oft weiterhelfen, die Älteren haben einen Einblick in die Lebenswelten der Senioren. So können beide Seiten von der Zusammenarbeit profitieren“, freut sich Kerstin Baumgarten über die gelungenen Kooperationen. 

Die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Institutionen der Wissenschaft in der Stadt sieht Baumgarten mit Freude. „Unsere Hochschule ist innovativ, die Studienplätze sind begehrt. Unsere anwendungsorientierte Arbeit und die Möglichkeit, Ergebnisse schnell in die Praxis umzusetzen, kommt offenbar an“, sagt sie.

Wünschenswert wäre laut Kerstin Baumgarten natürlich, wenn die Gesundheitskompetenz über das ganze Leben vermittelt und begleitet wird, und zwar von der Geburt über die Schulzeit bis hin zum Seniorendasein, damit jeder immer genau das Gesundheitswissen parat das, das gerade gebraucht wird. Solange das noch nicht überall durchgängig möglich ist, wird sie sich weiter für die Gesundheitslotsen einsetzen. Dabei ist sie auch optimistisch: „Es gibt zwar viel Handlungsbedarf in Magdeburg in Sachen aktiver Gesundheitsförderung, aber es gibt es auch so viel Raum zum Gestalten, während es in anderen, größeren Städten oft auch schon ein Überangebot gibt.“

Freuen würde sie sich allerdings auch, wenn Magdeburg tatsächlich Kulturhauptstadt würde: „Ich finde es beeindruckend, wie sich die Stadt entwickelt hat in den vergangenen Jahrzehnten. Am Anfang war in der Kulturszene vieles nur in Nischen, das ist jetzt anders, die Stadt hat viel Potenzial.“

Gesundheitskompetenzlotsen - „Orientierung für alle“


Prof. Dr. Kerstin Baumgarten