Ralf Niebergall hat eine spezielle Sicht auf Magdeburg. Der Architekt aus Leidenschaft blickt als Ästhet, Mitdenker und kritischer Geist auf die Stadt, die zu seiner Heimat geworden ist. Der gebürtige Suhler, der in Erfurt und Berlin aufwuchs, in Weimar studierte und in Halle lebte, hinterließ in Magdeburg bereits seine Spuren, als er noch nicht daran dachte, an die Elbe zu ziehen. Als 1987 der Architekt der Olvenstedter Kirche St. Josef starb, war sein erster Auftrag, die Kirche zu Ende zu planen, zu verändern und zu bauen. Die Hochschulkarriere des heutigen Präsidenten der Architektenkammer begann 1995 mit der Berufung an die Hochschule Magdeburg-Stendal. Fünf Jahre pendelte er zwischen Halle und Magdeburg, bevor er entschied, hier zu leben. Sein Blick galt stets dem Stadtbild. „Ich vermisste zunächst die urbane Dichte, die es in Halle gab“, erinnert er sich. Aber Ralf Niebergall erkannte auch den gewaltigen städtebaulichen Umbruch, der sich nach der politischen Wende vollzog. „Besonders von der anderen Elbseite sieht man, welch bedeutende Metropole Magdeburg einst gewesen ist“, sagt er. „Mit dem Wissenschaftshafen und der Entwicklung am Elbbahnhof wird diese prachtvolle Silhouette wieder lebendig.“ Der Architekt weiß, dass dies vielen Besuchern auffällt. Er zeigt oft und gern „seine“ Stadt und sagt, dass er sich als Magdeburger fühlt. Dazu tragen seine sozialen Kontakte bei, aber auch die Tatsache, dass er die Stadt mitgestaltet und sieht, wie sich die Region verändert. „Sachsen-Anhalts Bedeutung als wichtiges Kulturland mit großer Historie, wurde nach der Wende herausgearbeitet“, lobt Ralf Niebergall. Wie ordnet sich zeitgenössische Architektur passend in so eine Kulturgeschichte ein? „Diese Frage ist vielerorts besonders gut beantwortet worden mit einer Architektur, die sich respektvoll einfügt und zugleich selbstbewusst zeigt, dass wir im 21. Jahrhundert leben“, meint der einstige Kritiker des Hundertwasserhauses. Mit der  Grünen Zitadelle hat er inzwischen seinen Frieden gemacht – nicht aus architektonischer Sicht, aber als Magnet für die Touristen sei sie ein Segen. Wichtig sind ihm Bauwerke, die Ende der 90er Jahre und zu Beginn des 21. Jahrhunderts entstanden sind – wie das MDR-Funkhaus, die Uni-Bibliothek und die Experimentelle Fabrik: „Das sind Highlights, die zusammen mit der Bundesgartenschau einen Aufbruch deutlich gemacht haben. Das setzt sich mit der Hinwendung zum Fluss und der Wiedergewinnung von Industriebrachen fort.“ Mit der Umgestaltung des Bürohauses am Fürstenwall hat er selbst etwas dazu beigetragen. „Aber auch, dass Magdeburg als Wohnstandort wieder so interessant werden würde, hat vor zehn Jahren niemand gesehen“, sagt Ralf Niebergall. Es ist sein Beruf, oft mehr als andere zu sehen, in Visionen zu denken, deren Umsetzung einen langen Atem brauchen: „Es gibt große Chancen und viel Potenzial“, sagt er. „Ich bin gespannt, wie sich alles entwickelt.“

Ralf Niebergall