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An ein Schlüsselerlebnis für ihren Verein „Sunrise e.V. Magdeburg“ können sich Bettina und Simon Becker noch gut erinnern. Es war das erste Projekt der damaligen Neu-Magdeburger vor fast zehn Jahren. Im Jugendzentrum „KNAST“ am Moritzplatz spielte Simon seine Musik, die so ganz anders war, als die Jugendlichen es gewohnt waren. „Entgegen aller Erwartungen mochten sie es und haben mich anschließend zum Fußball spielen in ihre Clique eingeladen“, erinnert er sich. Bis heute halten einige dieser Verbindungen.

Für Simon und seine Frau war dieses Ereignis die Bestätigung für ihren Weg. Wenn Musik und Fußball als Türöffner funktionieren, können dies Theater, Lesungen und Kultur auch. Dafür waren sie vor zehn Jahren von Köln an die Elbe gekommen und gründeten „Sunrise“ (dt.: Sonnenaufgang). Ein Freund schwärmte ihnen damals von Magdeburg vor. Bei einem Kurzbesuch überzeugten sie sich selbst vom Potenzial und der Umzug war schnell beschlossen.

Schnell lernten sie Gleichgesinnte kennen, um die Stadt mitzugestalten. Alexander Heinrich war einer von ihnen. Als Cultural-Engineering-Student an der Otto-von-Guericke-Universität kam er 2013 zum Verein und organisiert mit einem Team bis heute das „TEDx Magdeburg“ im Schauspielhaus. In diesem Vortragsformat erzählen Menschen aus der Region sehr bewegend über ihr Leben. 

Der Verein führt mehrere soziale Projekte in Magdeburg, Köln und auf Mallorca durch. Mitten in Stadtfeld liegt ihr „Kulturkollektiv“. Der Raum wird als Büro, Ideenschmiede, manchmal als Theaterbühne, zum Büchertausch oder für Konzerte genutzt. Momentan gibt es hier auch ein Pop-up-Store für ökologisch faire Mode. Das wechselt je nach kreativer Idee. Für ihr Format „Church goes pub“ gehen Familie Becker, beide studierte Theologen, in die Kneipen der Stadt. Hier reden sie mit den Teilnehmern über Leben, Religion und alles, was bewegt. Bei einer Veranstaltung kamen über 170 Leute. Warum in einer Kneipe? „Weil Kirche meist eine Hemmschwelle ist“, erzählt Simon Becker über das Konzept.

Das Lieblingsprojekt seiner Frau ist das Kindertheater für geflüchtete Kinder. Seit 2012 lädt die Theaterpädagogin, die selbst im Improvisationstheater „Tapetenwechsel“ aktiv ist, mit ihren Vereinsmitstreitern zu wöchentlichen Theaterkursen für Kinder zwischen 3 und 11 Jahre. Selbst die Kleinsten machen mit und tanzen. Die liebevollen Stücke werden dann vor Publikum aufgeführt.

Durch Ästhetik möchte Bettina Becker neue Perspektiven schaffen. Darauf habe jeder ein Anrecht, egal aus welchem Elternhaus man komme. „Ich wünsche mir, dass durch Kultur neue Träume geweckt werden“, sagt sie. Ihr Mann misst den Begriff „Kultur“ als Ausdruck dessen, was eine Gruppe oder eine Gemeinschaft in einem Moment für wichtig, richtig und schön empfindet. Das kann natürlich ganz unterschiedlich sein.

Ihre drei Kinder lassen die Beckers am Magdeburger Kulturleben gern teilhaben. Über mehr Angebote für Familien würden sie sich jedoch freuen. „Die Stadt kann insgesamt mehr Künstler und Kulturschaffende in der freien Szene gebrauchen“, wünscht sich Bettina Becker. Für die Stadtverwaltung könnte es auch ein bewusstes Statement sein, wenn man diese Kulturszene stärken würde.

Ihr Mann bittet die Magdeburger um „mehr Mut, neue Wege zu beschreiten“ und manchmal einfach die Skepsis zu überwinden. Die Bewerbung als „Kulturhauptstadt Europas 2025“ ist für ihn ein wichtiger Schritt in diese Richtung. „Ich finde es sehr mutig, dass die Bewerbung auf den Weg gebracht wurde und dass beispielsweise Räume wie der Kubus geschaffen wurden, um Dinge zu fokussieren“, wirbt er für mehr Unterstützung des Vorhabens und seiner Beteiligten.

Der nächste mutige Schritt des „Sunrise e.V. Magdeburg“  ist bereits getan: In der Neustadt entsteht durch die mehr als 50 ehrenamtlichen Vereinsmitglieder die „Villa Wertvoll“.  Als Kinder- und Jugendhaus soll es eröffnen und unter anderem kostenlose Hip-Hop-, Theater- oder Kochkurse für Kinder und Jugendliche anbieten. Mit der benachbarten Schule soll ebenfalls kooperiert werden. „Im Haus werden unsere Aktivitäten einen Platz finden. Momentan bündeln wir unsere Kräfte für dieses neue Projekt.“

Bildquelle: Stadtmarketing Magdeburg