Wenn von Graffiti die Rede ist, denken viele Menschen noch ausschließlich an beschmierte Fassaden und störende Schriftzüge. Dass man mit Sprühdosen kahle Wände und Gebäude verschönern kann, beweist ein junges Team aus Magdeburg. Die Brüder Gordon und Christopher Motsch, Tobias Hildebrandt, Thomas Severin sowie Thomas Lang haben unter dem Namen "Strichcode" in der Ottostadt schon viele Flächen neu gestaltet. Mit ihrem Unternehmen haben sich die Künstler einen Traum verwirklicht. "Wir waren schon immer künstlerisch aktiv", sagt Tobias Hildebrandt. "Wenn wir nicht die Sprühdose verwenden würden, hätten wir sicher zum Pinsel oder anderes Werkzeug gegriffen, um uns auszuleben." Sie haben sich für Graffiti entschieden, und das liegt zum einen daran, dass sie bereits als Schüler als Sprayer unterwegs waren. Zum anderen haben sie mit den Farbdosen ein Werkzeug in der Hand, das es ihnen ermöglicht, auch größere Flächen zu gestalten – mit einer riesigen Farbpalette. Neben der Leidenschaft für diese Kunst,  gibt es noch einen Grund, warum die Magdeburger sich für Graffiti-Kunst entschieden haben. "Wir wollten zeigen, dass Graffiti zwar in der illegalen Subkultur entstanden ist, aber richtig eingesetzt viel Positives erzeugen kann", so Gordon Motsch. Den Beweis dafür haben die Mittdreißiger in Magdeburg längst erbracht. Der Label-Name steht in der Heimatstadt der Künstler inzwischen für kreative Gestaltung. Egal, ob die Tiefgarageneinfahrt des City Carré, die Kletterwand in der Uni-Turnhalle oder der 93 Meter lange Elbverlauf an den Mauern des Elbbahnhof-Wohnquartiers – das "Strichcode"-Team hat den Flächen seinen bunten Stempel aufgedrückt. Nach zehn Jahren der Selbständigkeit können die Magdeburger mit Fug und Recht behaupten, dass sie ihr einstiges Hobby erfolgreich in ein Geschäft überführt haben. Inzwischen setzen sie bundesweit ihre Sprühdosen an, nachdem sie vorher mit dem Auftraggeber die Umgebung der zu gestaltenden Fläche analysiert und digitale Entwürfe besprochen haben.

"Wir haben die Möglichkeit, das Stadtbild mitzuprägen", sagt Gordon Motsch, wenn er die Faszination seines Berufes beschreiben soll. Lernen könne man indes das freiberufliche Arbeiten,  das als Grundlage Graffiti hat, nicht. "Wir haben uns alles selbst beigebracht und beim Machen dazu gelernt", so Tobias Hildebrandt. Talent sei dafür wichtig und "das richtige Auge". Bevor sie diese Kombination für ihr eigenes Label einsetzen konnten, hat jeder von ihnen in anderen Richtungen berufliche Erfahrungen gesammelt. Industriedesigner sind im Team oder ein studierter Lehrer. Graffiti gestalteten sie anfangs nur für Verwandte, die das Talent der Jungs erkannten. Die ersten Aufträge für Nebenjobs kamen durch Mund-zu-Mund-Werbung. Schließlich wurden es so viele Aufträge, dass die jungen Männer beschlossen, daraus ihr Geschäft zu machen. Sie sind in den vergangenen Jahren ein bisschen erwachsener geworden, müssen Bilanzen vorlegen und Aufträge verwalten, aber sie machen immer noch genau das, was sie immer tun wollten: Flächen gestalten. Heute verstehen sie sich nicht als Sprüher, sondern als "Kunsthandwerker, die urbane Streetart-Kunst in die Stadt bringen". Inzwischen gestalten die Magdeburger auch Workshops und sprechen in Schulen über Graffiti. Und wenn sie draußen im Einsatz sind, kommen sie oft mit zunächst skeptischen Passanten ins Gespräch. "Aus den negativen Kommentaren wird dann schnell Neugier", weiß Tobias Hildebrandt.

Graffiti

Viele Magdeburger erkennen zudem das kleine "Strichcode"-Zeichen und bringen es mit Bildern in Verbindung, die quer durch die Stadt – an Trafohäusern, beim Durchgang zum Westerplan, an Häuserwänden am Salbker See, in der Schillerstraße oder an Firmengebäuden – zu sehen sind. Neben den Auftragswerken haben die Fünf auch immer die Kunst im Blick, gehören unter anderem zu den Partnern des "Kulturanker"-Vereins, der alljährlich die großen Kunstfestivals auf die Beine stellt. Tobias Hildebrandt sagt: "Wir hoffen, dass noch viele mutige Projekte kommen, die uns herausfordern." So ähnlich reagieren sie auch, wenn es um Magdeburgs Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt geht. "Die Idee ist großartig, und die Kunstszene sollte unbedingt einbezogen werden", sagt Motsch. Tobias Hildebrandt ergänzt: "Wir hoffen, dass man in Magdeburg bald häufiger auch unkonventionelle Wege geht."

Bilder: Stadtmarketing

Gordon Motsch,
Tobias Hildebrandt


Strichcode