Wie kommt eine Brasilianerin nach Magdeburg?Natürlich. Die Liebe ist im Spiel. Und vielleicht ein bisschen Vorsehung.
Anneliese Schwarzbold Biastoch wird im Südendes südamerikanischen Landes geboren. Deutschland ist nicht so weit entfernt, wie viele zunächst denken mögen. Der Bundesstaat Rio Grande do Sul ist geprägt von europäischen Einwanderinnen und Einwanderern und ihren nachfolgenden Generationen. Die heutige Magdeburgerin gehört dazu: Ihre Vorfahren stammen aus Italien und Sachsen. Vielleicht mag ihr Vater darum den Namen Anneliese so sehr. Die Tochter kennt es nicht anders, trägt den deutschen Namen mit Stolz. Sie hört viel Deutsch in Brasilien. Im Supermarkt wird es gesprochen – wenn auch durchmischt mit Einflüssen von vor 100 Jahren. Es gibt sogar Radiosender, die deutsche Volksmusik spielen.
Nach der Schule beschließt sie, nach Deutschland zu gehen, um die Kultur kennenzulernen und tiefer in die Sprache einzutauchen. Die Wahl fällt 2009 auf Leipzig und auf das Studium der Romanistik – auf Deutsch wohlgemerkt. An der Uni läuft ihr Fabian über den Weg, ein Student der evangelischen Theologie. „Wir wussten schnell, dass wir zusammengehören“, erinnert sich der heutige Prokurist der Humanas Pflege GmbH & Co. KG. Der Magdeburger kommt aus einer Familie, die viele Pfarrer hervorgebracht hat. Aus verschiedenen Gründen entscheidet sich der damalige Student dafür, die Richtung zu wechseln. Kommunikation, Journalismus möchte er sich künftig lieber widmen. Als Anneliese ihren Bachelor fast in der Tasche hat, absolviert Fabian ein Volontariat.
„Der Plan war, nach dem Studium wieder nach Brasilien zurückzukehren“, erinnert sich Anneliese. Doch nicht nur die Bindung zu ihrem künftigen Ehemann – die beiden heiraten 2014 – stellt die Lebensweichen um. „Ich habe in Deutschland auch gut Fuß gefasst“, erinnert sie sich. Mit Ende des Volontariats muss sich das Paar entscheiden: Wo soll es hingehen? Zurück nach Brasilien? Anneliese und Fabian entscheiden sich 2015 für Magdeburg. Warum? „Es gab berufliche Perspektiven, meine Familie lebt hier, und wir haben schnell eine schöne Wohnung gefunden“, erinnert sich der ehemalige Journalist.
Fabian Biastoch arbeitet bei der Magdeburger Volksstimme, ist Online-Redakteur, später Redakteur und Chef vom Dienst. Parallel ist er im Huddle-Verlag tätig, schreibt und produziert für diverse Medien. Wenn er mit seiner Frau in Brasilien unterwegs ist, verfasst er Reportagen, und bei der Fußball-WM 2014 ist er als Fanbotschafter vor Ort. Für den gebürtigen Magdeburger ist die Rückkehr in die Ottostadt zugleich eine Rückkehr zu seinen Wurzeln, die bis in die Kindheit zurückführen, die er in der Beimssiedlung verlebte.
Seine Frau tut sich jedoch zunächst schwer, hängt an ihrer Studentenstadt Leipzig. „Dann habe ich gedacht, dass es so nicht weitergehen kann, dass ich mir die Stadt erobern muss“, sagt sie. Anneliese zieht durch Magdeburg, mit dem klaren Ziel, „schöne Sachen zu finden“. Sie findet sie mit der Elbe, dem Stadtpark, dem Herrenkrug und in Stadtfeld. Sie lernt neue Freunde kennen – auch Brasilianer – und liebt es, in einer Privatschule Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten. Sie sagt: „Ich habe ein schönes Umfeld, das mein Zuhause geworden ist. Ich habe es nicht bereut, in Magdeburg geblieben zu sein."
Dennoch oder vielleicht gerade darum, bescheinigt Anneliese Schwarzbold Biastoch der Ottostadt, „noch einiges Potenzial zu haben, das gehoben werden kann“. Das Elbufer könne mehr belebt werden, sagt sie, mehr Offenheit, wenn Menschen eine andere Sprache sprechen, wünscht sie sich. Und sie freut sich darauf, „dass mit Intel viel Internationalität einziehen wird“.
Ihr „Kosmos“ ist international aufgestellt. Einige Freunde kommen aus anderen Ländern, in der Privatschule unterrichtet sie Menschen, die hierzulande noch fremd sind. Sie besucht gern ihre Familie in Brasilien. Doch ihr Ankerpunkt ist Magdeburg: „Nach drei, vier Wochen freue ich mich wieder zu Hause zu sein“, verrät sie. „Und damit meine ich: wieder hier in Magdeburg zu sein.“