Alejandro Vallejo kam vor neun Jahren mit einem Koffer und einer Jacke nach Deutschland. Dass er hierbleiben würde, stand für den Lateinamerikaner damals überhaupt nicht fest: er hatte das Privileg, sich nicht festlegen zu müssen. „Es hätte auch weitergehen können, ganz woanders hin, aber bin doch irgendwie in Mitteldeutschland geblieben.“
Heute arbeitet der 29-jährige als Regieassistent am Schauspielhaus Magdeburg. Er liebt das Theater und er sagt: „Wenn mein Leben ein Theaterstück wäre, würde das Theater vielleicht die Hauptrolle spielen.“
So jung an Jahren und doch schon so erfolgreich, gab es zuvor einige Stationen auf seinem Weg, der ihn in die Landeshauptstadt Magdeburg führte. Der in Brasilien geborene Kolumbianer spricht deutsch, spanisch, englisch, französisch und ein wenig portugiesisch. Er amüsiert sich, wenn man nicht feststellen kann, wo er eigentlich herkommt.
Fernweh ist ein Wort, dass es in seiner Sprache nicht gibt. Und diese Sehnsucht trieb den jungen Alejandro dazu, die Welt zu erkunden. Erst einige Länder auf seinem Kontinent, dann die USA und Kanada, wo er auch schon gelebt hat. Aber was ihn besonders reizte, war die sogenannte Alte Welt: „Ich träumte schon mit 15 davon, den Norden mit seiner bemerkenswerten Historie zu erkunden. Ich spürte eine verrückte Neugier über Europa, wo Menschen in wunderschönen alten Häusern wohnen und wo es Winter gibt. Und jetzt bin ich fast seit zehn Jahren hier und die Erfahrung ist viel spannender als die Bild-Romantik von damals.“
Bevor er nach Magdeburg kam, das war vor einem knappen Jahr, führte seine Reise ihn nach Berlin, dann Leipzig, wo er Deutschkurse belegte, sein Abitur an die deutschen Normen anpasste und Theaterwissenschaften studierte. Später dann begann er in Hildesheim den Masterstudiengang „Inszenierung der Künste und der Medien“.
Der Lebenskünstler, eine Bezeichnung, die ihn vielmehr interessiert als einfach Künstler, hatte schon immer einen Hang zur Literatur und ein großes Verlangen danach, sich in deutscher Sprache auszudrücken. In Leipzig, wo er seine ersten Kontakte zum Theater und zum Schauspiel hatte, schrieb er 2015 sein erstes Stück, inszenierte, führte Regie, spielte selbst mit. Manchmal machte er sogar die technischen Belange zu seinem Metier. Sein Herz an das Theater hat Alejandro Vallejo also in Leipzig verloren.
„Ja und dann kam tatsächlich Magdeburg. Reine Kalkulation, weil es genau die Mitte zwischen Berlin, Leipzig und Hildesheim ist (der junge Mann lacht). Nein, letztendlich war es einfach ein Glücksfall. Eine Freundin aus Magdeburg zeigte mir vor Jahren ihre Heimatstadt, aber habe ich mich so richtig erst dann entschieden, mich am Haus zu bewerben, als ich mitbekam, was da alles neu gedacht wird im Theater.”
Nun ist Alejandro Vallejo seit neun Monaten Regieassistent am Schauspielhaus Magdeburg, keine lange Zeit, aber dafür sehr intensiv: „Ich habe die Möglichkeit gehabt, innerhalb von einer Spielzeit extrem viele Erfahrungen zu sammeln.“ Er konnte in kleinen Formaten eigene Ideen einbringen sowie auch in großen Produktionen sich an Diskussionen und Prozessen beteiligen. Das künstlerische Konzept des Hauses unter der Leitung einer Dreierkonstellation aus einer Regisseurin (Clara Weyde), einem Dramaturgen (Bastian Lomsché) und einem Kostümbildner (Clemens Leander), unterschreibt er unumwunden.
Auf die Frage, wie Magdeburg als Stadt für ihn ist, antwortet der Kolumbianer-Brasilianer, dass sich die Elbstadt für ihn erst auf den zweiten Blick erschlossen habe. Man müsse sie erst kennenlernen, schauen wo die besonderen Ecken sind und wo man gleichgesinnte Menschen trifft. Inzwischen habe er reichliche Erfahrungswerte sammeln können und viel Potenzial entdeckt: „Mir geht es gut hier. Jetzt bin ich fertig mit dem Weltenbummlertum und verspüre das Verlangen, etwas aufzubauen, etwas zurückzugeben an die Gesellschaft. Dafür braucht man aber einen fruchtbaren Boden. Magdeburg strahlt eine wahnsinnige Ruhe auf mich aus und gibt mir die Stabilität, die so eine körperliche und geistige Aufgabe benötigt.“
In dem neuen Kapitel, das Alejandro Vallejo in der Landeshauptstadt aufgeschlagen hat, fand er am Schauspielhaus andere Facetten seiner angehenden Profession, die sich daran orientieren, neben seinem künstlerischen Wirken auch Verantwortung zu übernehmen. Er weiß: „Solange ich mich an diesem Theater Zuhause fühle, werden auch durch Magdeburg meine Gedanken und Gefühle spazieren.“
Der junge Mann aus Lateinamerika hatte den Mut, einer Vision nachzugehen, die ihn ganz weit weg von seiner Herkunft führte. Eine Vision, die über Grenzen hinweg Verbindungen zwischen Welten schaffen soll.