Vize-Magdeburger des Jahres 2016, darauf ist Moawia Al-Hamid noch immer stolz. „Dieses Gefühl kann man nicht austauschen.“ Der dreifache Familienvater lebt seit 2003 in Magdeburg. Zuvor hatte er in Hannover promoviert – ein Stipendium ermöglichte dem zu den Jahrgangsbesten zählenden Studenten, nach Deutschland zu gehen. Zuvor hatte er fünf Jahre an der Universität seiner Heimatstadt Aleppo studiert und drei Jahre als Assistent dort gearbeitet. Mittlerweile leitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Uni Magdeburg Europas größtes Prüflabor für elektromagnetische Verträglichkeit, dass an einer Universität existiert. Hier werden Prüfungen für CE-Siegel durchgeführt. „Es gibt nur wenige Labore in der Industrie und beim Militär, die größer sind als unseres.“
Neben seiner Arbeit als Dozent und Laborleiter ist Dr. Moawia Imam am islamischen Gemeindezentrum Magdeburgs. Moschee, sagt er, greife zu kurz für das, was hier in rein ehrenamtlicher Tätigkeit geleistet werde. Natürlich gehöre das Freitagsgebet dazu, aber samstags und sonntags werden Aktivitäten für Kinder angeboten und die Gemeinde bietet interreligiöse Gesprächsrunden an. Informations- und Kulturveranstaltungen werden Mitarbeitenden der Stadtverwaltung, der Pflegedienste, der Polizei und unterschiedlichen Organisationen angeboten. Auch Schulen fragen an und nutzen die Möglichkeit, mehr über den Islam zu erfahren. Ihr Zentrum finanzieren die Gemeindeglieder komplett privat.
Moawia Al-Hamid trennt dabei sehr deutlich zwischen Politik und Religion. Wer das mische, sagt er, beuge den Islam für seine Zwecke. Ihm ist diese Trennung wichtig, weshalb die Magdeburger Gemeinde auch eine sei, die international aufgestellt sei. „Das finden Sie in Hannover nicht“, sagt er. Er muss es wissen, schließlich hat er nach dem halbjährigen Deutschkurs in Göttingen sechs Jahre in Hannover gelebt, hier sind seine Kinder zur Welt gekommen. Ins Magdeburger Gemeindezentrum kämen Kurden, Türken, Afghanen, Syrer, Pakistanis, Indonesier, Inder zum Gottesdienst und zu den Treffen. 24 Nationalitäten. Gebetet wird auf Arabisch, gepredigt und geredet wird auf Arabisch und Deutsch – die Sprachen verbinden alle.
Viele Gemeindemitglieder arbeiten in Magdeburg, das seit 2003 erkennbar weltoffener geworden sei. Ein Verdienst vor allem auch der Universität, sagt Dr. Al-Hamid. Hier seien inzwischen 30 Prozent der Studierenden International. Die meisten fühlten sich rasch heimisch. Das spüre er vor allem auch am Freundeskreis seiner Kinder. Tochter und beide Söhne studieren, haben viele deutsche Freunde und seien Deutsche. Syrien ist ihnen fremd. Nicht nur, weil seine Heimatstadt Aleppo, einst als schönste Stadt Syriens bewundert, faktisch nicht mehr existiere. „Sie fühlen sich als Deutsche, da gibt es im Freundeskreis keine Unterscheidungen.“
Am Anfang sei es schwierig gewesen, in Magdeburg, gibt Al-Hamid zu. Nicht an der Universität, wohl aber im Alltag. Es gab musternde Blicke in der Straßenbahn, das kannte er aus Hannover nicht. Inzwischen spüre er, dass viele Magdeburger offener geworden sind. Auch rund ums Gemeindezentrum hat man sich daran gewöhnt, dass es nach dem Freitagsgebet schon mal wie nach einem Fußballspiel ist – eine halbe Stunde ist die Straße verstopft. Privat pflege er gute Kontakte zu Nachbarn, habe viele Freunde, nicht nur aus dem eigenen Arbeitsumfeld. „Das Zusammenleben ist schon gut und auf dem Weg zum sehr gut“, sagt der Wissenschaftler. Und fühlt sich mittlerweile so sehr als Magdeburger, dass er dem Angebot einer Professur in Erlangen nicht folgte.