Frau Schirmer, Sie begleiten die Ausländerbehörde seit 2013, waren neun Jahre Teamleiterin für humanitäre Aufenthalte und sind seit vorigem Jahr Fachdienstleiterin: Wie haben Sie Ihre Arbeit bisher hier erlebt?

Antje Schirmer: Die Arbeit hier ist für mich immer bereichernd gewesen. Ich erlebe die Internationalität als sehr lebendig. Leider werden in der Öffentlichkeit meist mehr die Schattenseiten wahrgenommen und weniger, was in der Breite geschieht. Wir haben bewegte Zeiten erlebt. In den vergangenen zehn Jahren kamen 20.000 Menschen mit ausländischen Wurzeln zu uns – 2023 könnten es bis zu 2.000 werden. Viele davon wollen bei ihrer Familie leben. Viele arbeiten hier bei uns, studieren oder möchten eine Ausbildung absolvieren.

Ein Meilenstein wird der Umzug der Ausländerbehörde: Ab Dezember 2023 soll der Umzug aus dem Zentrum in den nördlichen Stadtteil Neue Neustadt beginnen und in drei Schritten bis Ende 2024 vollzogen sein. Warum ist der Umzug in die Neustädter Höfe an der Lübecker Straße wichtig?

Ronni Krug: Eine Behörde ist immer das Schaufenster einer Stadt. Die derzeitige Ausländerbehörde stößt hinsichtlich der Kapazitäten, der Bedingungen für die Wartenden und des Arbeitsumfeldes für die Mitarbeitenden stark an ihre Grenzen. Dieses Schaufenster wollen wir schöner gestalten. Wir möchten jedoch, dass die Menschen sich von Anfang an mitgenommen und ernstgenommen fühlen. Wir möchten für Magdeburg, für unsere Gesellschaft und unsere Werte begeistern. Und da ist eine offene, helle, moderne Behörde besser geeignet als das jetzige Objekt.

Was wird sich neben den Räumlichkeiten noch ändern?

Antje Schirmer: Das Gesicht der Ausländerbehörde wird ein komplett anderes sein – alles wird noch offener werden. Die gesamte Struktur ist schon jetzt in stetiger Weiterentwicklung. Wir werden weiter die Bürokratie abbauen und die Kommunikation fördern.

Ronni Krug: Mit einem größeren Haus und besseren technischen Möglichkeiten können wir unsere Ressourcen beim Personal ausschöpfen. Wir können in den Verfahren schneller werden und damit die Menschen besser betreuen.

Antje Schirmer: Wir werden die begonnene Digitalisierung ausbauen und die Kundenströme besser lenken können. Unabhängig davon erwarten uns viele gesetzliche Änderungen. Das Auswärtige Amt wird anders agieren. Visa werden bald auch um ein Jahr verlängert und nicht mehr nur für ein paar Wochen, sodass Menschen die realistische Chance haben, bei uns den Antrag auf Verlängerung zu stellen. Wir dürfen jetzt hier die Prozesse, die Verwaltung neu denken. So können wir uns um mehr Menschen kümmern, ohne immer mehr Personal einstellen zu müssen.

Ronni Krug: Und es gibt uns die Möglichkeit, nicht nur als Verwalter, sondern auch integrierend wirksam zu werden. Es wird zusätzlich zum großen Haus der Ausländerbehörde in der Neustadt auch einen Welcome-Schalter in der Innenstadt geben. Dieser soll gezielt nicht nur ein reiner Behördenwegweiser werden, sondern auch ein Anlaufpunkt für Neuankömmlinge. Dort sollen sie all das erfahren, was für ihr neues Leben in Magdeburg wichtig ist, beispielsweise wo man einen Kitaplatz bekommt oder wo es geeignete Sportvereine gibt. Wir wollen den Begriff „Willkommensbehörde“ dort mit Leben füllen. Wir schnüren ein Gesamtpaket, das ausstrahlen wird. Ich bin mir sicher, dass Behörden aus anderen Bundesländern zu uns kommen werden, um sich etwas abzugucken.

Was zum Beispiel?

Ronni Krug: Es gibt keine andere deutsche Ausländerbehörde, die Dokumente automatisiert ausgibt. Wenn noch zwei Punkte geklärt sind, ist das bei uns möglich. Dann werden wir hier in Magdeburg Vorreiter in der Bundesrepublik sein und die Prozesse könnten beschleunigt werden.

Damit eine noch bessere Willkommenskultur bei uns in der Stadt zu spüren ist, arbeiten Sie auch mit der Otto-von-Guericke-Universität zusammen…

Antje Schirmer: Willkommenskultur wird in der Ottostadt künftig richtig gelebt. Es wird drei Welcome-Center geben – eins vom Land Sachsen-Anhalt, eins von der Universität und eins von uns als Stadt, wo die Otto-von-Guericke-Universität als Kooperationspartner beteiligt ist. Es wird ein Konstrukt der intensiven Zusammenarbeit werden, wo Hochschule, Industrie- und Handelskammer, Universität und Verwaltung im Austausch sind.

Ronni Krug: Es wird ein Joint Venture. Ein Ziel wird sein, die Absolventinnen und Absolventen nach ihrer Ausbildung und ihrem Studium in der Region zu halten. Sie sollen ihr hier erworbenes Fachwissen möglichst im Sinne der Ottostadt und in der Region einsetzen.

Wir sprechen viel von Ausländerinnen und Ausländern oder Menschen mit Migrationshintergrund. Sollten wir stattdessen lieber von Internationalität sprechen?

Ronni Krug: Ich bin persönlich grundsätzlich dafür, von diesen stereotypen Begriffen wegzukommen. Nehmen wir doch nur mal die Pro-Forma-Bezeichnung „Menschen mit Migrationshintergrund“: Dazu gehören schon Menschen, bei denen ein Elternteil zugewandert ist oder einen Migrationshintergrund hat. Für mich ist nicht wichtig, wo die Wurzeln hinführen, wenn der Mensch hier lebt, ist er ein Magdeburger oder eine Magdeburgerin.

Zu den Aufgaben der Ausländerbehörde gehören auch die Entscheidungen darüber, wer nicht in der Stadt bleiben darf…

Ronni Krug: Selbstverständlich. Wir sind auf der einen Seite zwar die Willkommensbehörde und sorgen dafür, dass die Menschen sich hier wohlfühlen. Auf der anderen Seite haben wir jedoch auch die Aufgabe zu prüfen, wer ein Anrecht auf Asyl, auf Aufenthalt in Deutschland hat.

Wie sind Sie personell aufgestellt?

Antje Schirmer: Momentan arbeiten etwa 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Behörde. Unser Plan sieht 96 Stellen vor. Und bei uns arbeiten auch Menschen mit syrischen, kasachischen, mexikanischen und russischen Wurzeln.

Ronni Krug: Das Team der Ausländerbehörde ist jung, motiviert und hochspezialisiert in der komplizierten Materie des Ausländerrechts.

Umzug, neue Systeme, optimierte Prozesse, die nächste Zeit hält einige Herausforderungen für das Team bereit…

Ronni Krug: Das ist richtig. Wir setzen momentan im Eilverfahren um, wofür andere Behörden fünf, sechs Jahre brauchen würden. Es findet ein Großumzug statt, und es wird ein neues Fachverfahren implementiert: Es wäre utopisch, davon auszugehen, dass es nicht zu Anlaufschwierigkeiten kommen wird. Während des Umzugs und der Schulungen der Mitarbeitenden werden weniger Verfahren bearbeitet. Wir möchten Mitte nächsten Jahres in den Regelbetrieb kommen. Die Zeit davor wird hart werden. Erschwerend kommt dazu, dass die Aufgaben nicht weniger werden.

Inwiefern?

Ronni Krug: Allein das Thema Einbürgerung kommt in Wellen. Wir hätten jetzt die erste, mit den Menschen, die 2015 hierher geflüchtet sind. Nun greifen allerdings Gesetzesänderungen mit zeitlichen Verkürzungen, und wir haben nicht nur eine Welle, sondern gleich fünf. Danach werden weitere Wellen kommen. In Verbindung mit dem Umzug und der Umstellung werden sie dazu führen, dass sich Fristen verlängern. Dennoch blicken wir positiv in die Zukunft. Wir sind dran und wir tun viel. Und am Ende werden wir eine moderne funktionierende Behörde haben, die Herausforderungen wie Flüchtlingswellen und Großansiedlung gerecht werden kann.

Ist Magdeburg aus Ihrer Sicht international?

Ronni Krug: Die Stadt ist auf jeden Fall internationaler geworden. Und sie wird es in den nächsten Jahren auch noch verstärkter werden – allein schon durch die Großansiedlung von Intel. Das ist nicht nur ein Gewinn. Das ist auch eine Chance, die wir nutzen müssen.

„Wir leben Willkommenskultur.“


Ronni Krug, Beigeordneter für Personal, Bürgerservice und Ordnung
Antje Schirmer, Fachdienstleiterin Ausländerbehörde

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