Er kam mit dem Trabi.  Der Hasselbachplatz war damals noch grau, ziemlich verfallen und nicht ganz einfach zu befahren, erinnert sich Jerome Mullan. Das ist mittlerweile fast 30 Jahre her. „Magdeburg ist schön geworden“, sagt der Ire, der in Ballinderry, einem kleinen nordirischen Ort zwischen Belfast und Derry aufwuchs. Magdeburg ist sein Zuhause. Wenn er Deutschland sagt, meint er meist Magdeburg. Hier hat er seine Freunde, seine Arbeit, hier fühlt er sich wohl.

Bewusst ausgesucht hat er sich dieses Zuhause zunächst nicht. Mullan studierte in London, Modern European Studies – ein durchaus betriebswirtschaftlicher Studiengang mit viel Geografie, Geschichte und Politik. Deutsch gehörte zum Angebot, er lernte die Sprache und ging als Austauschstudent 1992 für ein Jahr an die Humboldt-Universität Berlin. Nach dem Studiumabschluss entschied er nochmal nach Deutschland zurückzukehren – auch, um seine Deutschkenntnisse nicht einrosten zu lassen. Er landete in Luckau, im Spreewald, an einem Gymnasium, um als Muttersprachler Lehrer und Schüler vertrauter mit dem Englischen zu machen. Jerome Mullan erinnert sich gern an das Jahr „mitten in der Pampa“, er habe „echt nette Leute kennengelernt“. Die Stelle in Luckau war auf ein Jahr begrenzt, er bewarb sich in anderen Städten. Berlin hatte mehr als genug Muttersprachler, Magdeburg suchte noch. Also kam er 1994 nach Magdeburg.

Und war erstaunt, dass es hier durchaus auch viele Muttersprachler gab – es reichte für einen Stammtisch und eine eigene Theatertruppe. Er arbeitet an einem Sprachinstitut, später als Freiberufler für fünf Jahre bei einer Radiostation. In all den Jahren hat er die Entwicklung Magdeburgs verfolgt, die Verwandlung der Stadt erlebt. Inzwischen sei Magdeburg sehr schön, sagt Mullan, seine irische Familie liebe die Stadt, das Hundertwasserhaus, den Dom, den Stadtpark. Und die Umgebung. „Man ist schnell im Harz.“

Irgendwann traf der Wahl-Magdeburger die Entscheidung, sich selbstständig zu machen, er arbeitet als Sprachdozent, Übersetzer, Sprecher und Vermittler von Sprachreisen. Mit seinem Unternehmen „English-Mobil“ geht er in die Firmen, trainiert Mitarbeiter, macht sie fit für die Kommunikation mit internationalen Kunden, für Geschäftsreisen, Vertragsverhandlungen in englischer Sprache. In seinem Job merke er, wie sich die Arbeitswelt in Magdeburg verändert. Nach dem großen Nachholbedarf an Englischkenntnissen nach der Wende gab es eine kleine Flaute. Inzwischen haben viele Unternehmen globale Geschäftsbeziehungen aufgebaut. Englisch zu können, sei zwingend – auch für die Kontakte zu osteuropäischen Firmen. „Auch im Ostblock sprechen Geschäftsleute nur Englisch miteinander.“

Seinen Akzent hat Jerome Mullan beibehalten, die Magdeburger akzeptierten ihn, seien offen, ihm gegenüber – doch fragten eher selten bei der ersten Begegnung, woher er kommt. „Die Deutschen sind zurückhaltend. Ich habe gelernt, dass sie eben anders sind als wir Iren. Die Iren sind ein neugieriges Volk, sie fragen woher du kommst, wie dein Opa heißt. Die Deutschen halten sich zurück, wohl aus Respekt.“

Zum Brexit sagt Jerome Mullan nicht viel, er ist froh, sich in seiner nordirischen Heimat, die ja zum Vereinigten Königreich gehört, für einen irischen Pass entschieden zu haben. Als Ire ist Mullan EU-Bürger. Nur seine britische Fahrerlaubnis musste er tauschen. Das sei ein Bürokratiemonster gewesen – acht Monate dauerte es, bis er seinen deutschen Führerschein hatte. Die Idee, angesichts der bevorstehenden Intel-Ansiedlung ein Welcome-Center einzurichten und vieles englisch zu beschriften, sieht er nicht nur positiv. Es helfe den Ankommenden, sich leichter zurecht zu finden. Magdeburg sei bereits ziemlich weltoffen. „International ist hier schon ganz schön viel los, mehr als man denkt.“

Von Nordirland über den Spreewald nach Magdeburg. International ist schon ganz schön viel los.


Jerome Mullan

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